Premiere: 23.03.2023
Ferdinand von Schirach
Gott
ca. 2 Stunden, 15 Minuten (Pause nach ca. 90 Minuten)
Ich will als ordentlicher Mensch sterben, so, wie ich gelebt habe.
Richard Gärtner
Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben bringt immer auch die Frage nach dem Recht auf einen selbstbestimmten Tod mit sich. Nach langen Debatten ist es laut einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in Wien vom Dezember 2020 verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten. Inzwischen sind indirekte (Beschleunigung des Todeseintritts als Nebenwirkung von Medikamenten) und passive (Unterlassen von lebensverlängernden Maßnahmen) Sterbehilfe gesetzlich erlaubt, aktive Sterbehilfe (Beenden des Lebens eines anderen Menschen z. B. durch Medikamente) ist weiterhin verboten.
Was ist ein Menschenleben in unserer Gesellschaft wert? Mit welchem Maß an Selbst- und Fremdbestimmung wird ein Individuum konfrontiert? Welche Rechte und Pflichten bringt es mit sich, in dieses Leben geworfen zu sein?
Ferdinand von Schirach legt nach seinem Erfolgsstück Terror mit Gott ein neues Verhandlungsdrama vor. Die Frage nach absoluter Autonomie des Menschen wird aus ethischer, politischer und religiöser Sicht beleuchtet, und am Ende ist es am Publikum, mittels Abstimmung eine Entscheidung über den Ausgang der Verhandlung zu treffen.
Die Wiener Kammerspiele zeigen mit bestem Resultat Ferdinand von Schirachs packendes Sterbehilfe-Drama "Gott". Die Expertisen des Juristen (Paul Matić), des Arztes (Alexander Strömer) und des Priesters (Robert Meyer!) sind keine Minute zu lang. Raphael von Bargen glänzt als Anwalt. Was dem Regisseur Julian Pölsler mit sicherer Hand und starker Personenführung gelingt, ist heute selten: ein solider, spannender Theaterabend ohne Belehrungsgekreisch.
(Kronen Zeitung)
Das Interessante des Abends liegt im buchhalterisch peniblen Anführen und Abwägen von Perspektiven. Der Autor nimmt sein Publikum an der Hand und führt es mittels eines Ratsvorsitzenden (Michael König) und eines Befragers (André Pohl) durch Gesetzestexte und Kirchenlehren. Von Bargen ist ein Anwalt, wie man ihn sich wünscht: gefinkelt, scharf, und in der Inszenierung von Julian Pölsler mit einer spitzbübischen Freude am Überraschen ausgestattet. Robert Meyer steht als Bischof auf der Seite des Leidens als Lebenssinn. Spannend wie ein Thriller.
(Der Standard)
Raphael von Bargen spielt den Anwalt mit Feuer und tiefschwarzem Witz.
(KURIER)
Robert Meyer bringt als Bischof subtil seine Verzweiflung darüber zum Ausdruck, welche weitreichenden Folgen eine Entscheidung auch für junge Menschen haben könnte. In Meyers Dialog mit dem Anwalt des Suizidwilligens entsteht ein emotionsgeladenes Pingpong-Spiel. Den Rechtsvertreter gibt Raphael von Bargen gefinkelt und schlagfertig. Sichtlich lustvoll treibt er die Sachverständigen in Sackgassen ihrer Gebiete, blättert auf, dass vieles nicht so in Gesetzbuch oder Bibel steht, wie gern behauptet wird. Er stellt dabei nicht nur den Dialogpartnern die richtigen Fragen, er verunsichert auch das Publikum. Komplettiert wird das Ensemble von Michael König als souveränen Vorsitzenden des Ethikrates, André Pohl als dessen Mitglied.
(Die Presse)
In dem auf die Bühne transferierten Ethikrat, in dem jeder Standesvertreter – neben Kirche auch Justiz und Ärzteschaft – Richard Gärtners Anliegen beleuchtet, brilliert vor allem Raphael von Bar gen als dessen Anwalt. Ihm gelingt es, in diesem von Julian Pölslers bedachter Regie geleiteten, rechtschaffen Thesenstück immer wieder, im Zwiegespräch mit den jeweiligen Sachverständigen die Aufmerksamkeit zu fokussieren. Damit geraten die Plädoyers nachvollziehbar, die Paul Matić als Jurist, Alexander Strömer als Ärztefunktionär sowie André Pohl und Michael König als Vertreter des Ethikrates halten. Schön anzusehen und stimmig sind die immer wieder den Bühnenhintergrund zierenden, Vergänglichkeit und Tod umkreisenden Porträtbilder des Südtiroler Künstlers Gotthard Bonell. Viel Applaus und beim Verlassen des Theaters vernehmbarer Nachbesprechungsbedarf beschließen die Aufführung.
(Tiroler Tageszeitung)
Regie
Julian Pölsler
Bühnenbild
Walter Vogelweider
Kostüme
Birgit Hutter
Dramaturgie
Leonie Seibold
Licht
Sebastian Schubert
Video
Julian Pölsler
Video
Sebastian Schubert
Vorsitzender des Ethikrats
Michael König
Richard Gärtner
Johannes Seilern
Brandt, Augenarzt
Martin Niedermair
Biegler, Rechtsanwalt
Raphael von Bargen
Keller, Mitglied des Ethikrats
André Pohl
Litten, Rechtssachverständiger
Paul Matić
Sperling, medizinischer Sachverständiger
Alexander Strömer
Thiel, theologischer Sachverständiger
Robert Meyer