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Theater in der Josefstadt
Premiere: 29.03.2023

Maxim Gorkij

Sommergäste

ca. 3 Stunden (Pause nach ca. 90 Minuten)

Aus dem Russischen von Ulrike Zemme
Fassung von Elmar Goerden

Die Intelligenz – das sind nicht wir! Wir sind etwas anderes. Wir sind Sommergäste in unserem Land … Zugereiste. Wir tun nichts und reden entsetzlich viel.
Warwara Michajlowna

Man könnte es als groteskes Panorama der bürgerlichen Intelligenzija bezeichnen, diese in ihrer selbst gewählten Langeweile festsitzende Gemeinschaft, die Maxim Gorkij 1904, am Vorabend der russischen Revolution, auf Sommerfrische schickt. Weder Existenzängste noch Beziehungsprobleme können hier wirklich verhandelt werden, denn die Unfähigkeit, sich aus bestehenden privaten wie sozialen Mustern zu lösen, bringt Gorkijs Figuren in eine generelle Furcht vor dem Leben, die auch gesellschaftliche Auswirkungen nach sich zieht.

"Wie soll man leben?" ist die zentrale Frage in Gorkijs Stück, die gerade im Angesicht gegenwärtiger gesellschaftlicher Debatten neue Brisanz erhält. Regisseur Elmar Goerden betont in seiner Fassung für das Theater in der Josefstadt die zeitlose Relevanz von Gorkijs Meisterwerk.

Starke Schauspielleistungen in einer in ihrer sprachlichen wie inhaltlichen Aktualisierung bitterbösen Analyse der Generation vor der "letzten Generation" von Elmar Goerden. Als fahriger, in seinen Trainingsanzügen und Kappe grotesk deplatziert wirkender Rechtsanwalt Bassow gibt Michael Dangl einen Hausherren, der nicht viel zu sagen hat und wenn er es doch versucht, nur unvollständiges, manieriertes Gestammel hervorbringt. Als von ihm entfremdeter Ruhepol bildet Alexandra Krismer sein invertiertes Spiegelbild. Während in dieser Ehe das Schweigen dominiert, bilden Günter Franzmeier und Silvia Meisterle als Ingenieur Pjotr und dessen Frau Julija ein bitterböses, sich stets verletzendes Paar, das es sogar zu aufwendig findet, den jeweils anderen einfach umzubringen. Unglücklich sind schließlich auch der Arzt Dudakow (Roman Schmelzer) und seine etwas tollpatschige Frau (Susa Meyer), die vor allem unter der Anzahl ihrer Kinder und der männlichen Ignoranz gegenüber weiblicher Care-Arbeit leidet. Martina Stilp verleiht der Ärztin Marja eine beeindruckende Selbstdisziplin in der Verweigerung von Gefühlen. Zu allem Überdruss hat die rationale Ärztin mit ihrer genderfluiden Tochter Sonja zu kämpfen, die gefälligst Alex genannt und mit männlichen Pronomen angesprochen werden will und sehnlich darauf wartet, aus dieser Hölle "nach oben gebeamt" zu werden (stark im Anklang an eine reflektierende junge Generation: Katharina Klar). Das Gruselkabinett komplett machen schließlich Ulrich Reinthaller als dunkel gewandeter, in einer kreativen Krise steckender Schriftsteller und Michaela Klamminger als Bassows Schwester Kalerija, die ihre ebenfalls schriftstellerischen Ambitionen mit exzessivem Rauchen und dem Tragen von schwarz Ausdruck verleiht. Als Running Gag watet schließlich Joseph Lorenz klatschnass und Wasser spuckend als Pjotrs ertrunkener Onkel durch die Szenerie.
(APA)

Regisseur Elmar Goerden hat aus "Sommergäste" eine geradezu anti-tschechowesk bunte Komödie mit dennoch viel Tiefgang macht, ist ein Glücksfall, den das glänzende Ensemble mit Brillanz ausspielt. Selten so gelacht auf so hohen Niveau! Goerden stopft die Aufführung mit Gags voll, beginnend beim Nieseln, mit dem die Sommerfrische symbolisch anfängt: Alle stehen im Regen, ein Lied, bitte, etwas Tristesse vor dem abstrakten Hintergrund und den Sommerfreude-Requisiten vom Paddelboot bis zu Sonnenschirm und den unbequemsten Liegestühlen aller Zeiten (Bühnenbild von Silvia Merlo und Ulf Stengl, Kostüme von Lydia Kirchleitner - alles fulminant). In jeder Sekunde ist da was los, das ist klug und knallbunt und unterhaltsam und klug und, ja: unsagbar zart und poetisch ist es auch in den flüchtigen, bitteren, herzzerreißenden Liebesszenen. So virtuos hat schon lange keiner auf der Klaviatur der Emotionen gespielt wie Goerden. Er nimmt ernst, belächelt aus Distanz, ironisiert, trifft ins Mark. Der Zuschauer wird überwältigt von einer Regie, die so witzig, so klug und, vor allem, so überraschend ist, dass die drei Stunden kaum ins Gewicht fallen. Ein Ensemblestück sind die Sommergäste, und Goerden führt denn auch ein Josefstadt-Luxusaufgebot (Michael Dangl, Alexandra Krismer, Michaela Klamminger, Claudius von Stolzmann, Günter Franzmeier, Silvia Meisterle, Roman Schmelzer, Schalimow, Ulrich Reinthaller, Oliver Rosskopf, Martina Stilp, Katharina Klar, Joseph Lorenz, Jakob Elsenwenger, Julian Valerio Rehrl) mit Präzision bis in die Armbewegung hinein zum Erfolg. Welch ein Triumph der Unterhaltung!
(Wiener Zeitung)

Maxim Gorki hat seine Sommergäste im gleichnamigen Drama 1904 mit Zuwendung, aber scharf gezeichnet. In Elmar Goerdens Inszenierung am Theater in der Josefstadt driften sie nun entlang einer eigenen Textfassung beeindruckend durch die Gegenwart. In Goerdens Regie und Fassung, die sich einige kluge Änderungen erlaubt, passen diese Leute hervorragend in unsere Zeit und driften beeindruckend durch die Gegenwart. Wir sehen mit 15 Schauspielenden ein großes Ensemblestück, in dem ständig gestritten wird, um schrecklich ernste Fragen – und doch bleiben die Konflikte lustvoll anzuschauen. Diese Sommergäste hängen die Hoffnungen stets an die anderen. Bei sich selbst anzufangen ist anstrengend und birgt womöglich Ungekanntes. Das vermittelt dieser Abend mit Verve und gekonnt.
(Der Standard)

An Gags und pointierten Dialogen mangelt es nicht. Claudius von Stolzmann begeistert, Michaela Klamminger brilliert mit einer Ernst-Jandl-Performance.
(KURIER)

Die Schauspieler brillieren. Katharina Klar mit schauspielerischer Magie, Claudius von Stolzmann als närrischer Wlas als eine Art Puck.
(Die Presse)

Das Ensemble der Josefstadt findet in diesen gut drei Stunden auf wunderbare Weise zu sich selbst, vor allem die Schauspielerinnen. Goerden hat ihnen offenbar maximal natürliches Spiel verordnet: Niemand "sendet", alles fließt. Das ist schmerzhaft, schräg und insgesamt ziemlich bemerkenswert. Möge diese Aufführung von geduldigen Freigeistern gestürmt werden.
(Falter)

Regie
Elmar Goerden

Bühnenbild
Silvia Merlo

Bühnenbild
Ulf Stengl

Kostüme
Lydia Kirchleitner

Korrepetition und Arrangement
Daniel Feik

Dramaturgie
Barbara Nowotny

Licht
Manfred Grohs

Bassow, Sergej Wassiljewitsch
Michael Dangl

Warwara Michajlowna
Alexandra Krismer

Kalerija
Michaela Klamminger / Kimberly Rydell

Wlas
Claudius von Stolzmann

Suslow, Pjotr Iwanowitsch
Günter Franzmeier

Julija Filippowna
Silvia Meisterle

Dudakow, Kirill Akimowitsch
Roman Schmelzer

Olga Alexejewna
Susa Meyer

Schalimow, Jakow Petrowitsch
Ulrich Reinthaller

Rjumin, Pawel Sergejewitsch
Oliver Rosskopf

Marja Lwowna
Martina Stilp

Alex (Sonja)
Katharina Klar

Der Mann
Joseph Lorenz

Samyslow, Nikolaj Petrowitsch
Jakob Elsenwenger

Simin, ein junger Mann
Julian Valerio Rehrl