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Theater in der Josefstadt
Premiere: 16.05.2019

Joseph Roth

Radetzkymarsch

Uraufführung

ca. 2 Stunden, 5 Minuten (keine Pause)

Die Zeit will uns nicht mehr. Man glaubt nicht mehr an Gott. Die neue Religion ist der Nationalismus. Die Völker gehen nicht mehr in die Kirche. Sie gehen in nationale Vereine und wollen selbständige Staaten. Sobald unser Kaiser die Augen schließt, zerfallen wir in hundert Stücke.
Graf Chojnicki

Ein grausamer Wille der Geschichte hat mein altes Vaterland, die österreichisch-ungarische Monarchie, zertrümmert. Ich habe es geliebt, dieses Vaterland, das mir erlaubte, ein Patriot und ein Weltbürger zugleich zu sein, ein Österreicher und ein Deutscher unter allen österreichischen Völkern. Ich habe die Tugenden und die Vorzüge dieses Vaterlands geliebt, und ich liebe heute, da es verstorben und verloren ist, auch noch seine Fehler und seine Schwächen. Deren hatte es viele. Es hat sie durch seinen Tod gebüßt. Es ist fast unmittelbar aus der Operettenvorstellung in das schaurige Theater des Weltkriegs gegangen. Mir und vielen anderen meiner internationalen Landsleute, die gleich mir ein Vaterland und damit eine Welt verloren haben, ist ein ganz anderes -Österreich bekannt und vertraut als jenes, das sich in seinen Export-Operetten zu Lebzeiten offenbart hat und das sich nach dem Tode nur noch in seinem billigsten Export bewahrt. Ich habe die merkwürdige Familie der Trottas, von denen ich in meinem Buch Radetzkymarsch berichten will, gekannt und geliebt, die Spartaner unter den Österreichern. An ihrem Aufstieg, an ihrem Untergang glaube ich den Willen jener unheimlichen Macht erkennen zu dürfen, die am Schicksal eines Geschlechts das einer historischen Gewalt deutet. Die Völker vergehn, die Reiche verwehn. Aus dem Vergehenden, dem Verwehenden das Merkwürdige und zugleich das Menschlich-Bezeichnende festzuhalten ist die Pflicht des Schriftstellers. Er hat die erhabene und bescheidene Aufgabe, die privaten Schicksale aufzuklauben, welche die Geschichte fallen läßt, blind und leichtfertig, wie es scheint.
Joseph Roth, Vorwort zu Radetzkymarsch

Elmar Goerden, ausgezeichnet mit dem Regie-Nestroy für Die Verdammten, nimmt sich wieder eines großen Familienepos an – des Schicksals der Familie Trotta aus Joseph Roths epochalem Roman Radetzkymarsch. Geschickt verwebt Roth den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie mit der Geschichte der Trottas: beginnend mit dem legendären Helden von Solferino, der Kaiser Franz Joseph in der Schlacht das Leben rettete, bis zum glanzlosen Tod seines Enkels im Ersten Weltkrieg beim Wasserholen für seine Kameraden.

In dieser Produktion wird aus künstlerischen Gründen auf der Bühne geraucht.

Unter folgendem Link gibt es Publikumsstimmen:
Publikumsstimmen Radetzkymarsch

Goerden setzt auf die großartige Sprache Roths, auf Zwischentöne, Nuancen und seine fantastischen Darsteller. Etwa die große Andrea Jonasson als androgyner Graf Chojnicki und als wandelndes Menetekel der bevorstehenden Weltkatastrophe. Oder an dem wunderbaren Joseph Lorenz als Idealbesetzung des verknöcherten Bezirkshauptmanns Franz Freiherr von Trotta, dem Pflicht alles, Gefühle aber nichts sind. Hier sind Sprachartisten ersten Ranges am Werk. Gleiches gilt aber auch für das übrige – im wahrsten Sinne des Wortes – Ensemble. Ein verbal brillanter Tanz auf dem Vulkan, ein furioses Endzeitszenario.
(KURIER)

Elmar Goerden gelingt eine schlüssige und kurzweilige Dramatisierung von Joseph Roths Jahrhundertroman. Das Ensemble hat offenbar Spaß am Tempo. Pauline Knof verleiht einer Affäre des 15-jährigen Trotta handfest Pfiff, sie gibt in raffinierter Variation auch eine zweite liebestolle Frau. Alexandra Krismer darf sich in skurrilen kleineren Rollen austoben, so wie Oliver Rosskopf und Alexander Absenger, die aus Offizieren herrliche Knallchargen machen. Michael König spielt eine Reihe älterer Herren mit Bravour. Florian Teichtmeister versteht es blendend, die morbide Atmosphäre zu vermitteln, Andrea Jonasson spielt die melancholische Figur des Grafen Chojnicki souverän.
(Die Presse)

Elmar Goerden führt nicht nur Regie, sondern erstellte auch die gelungene Bühnenfassung, in der epische und szenische Momente elegant verwoben sind. Das Epizentrum des Abends ist Florian Teichtmeister, zumeist steht sein Trotta wie von allen guten Geistern verlassen in der Bühnenlandschaft herum, man kann nicht genug davon bekommen, ihm beim Nichtstun zuzusehen. Das hellwache Ensemble ist in Mehrfachrollen zu sehen. Goerden entwirft die psychologisch fein ziselierte Übersetzung des Romans, die an Ernsthaftigkeit schwer zu überbieten ist. Perfektes Amüsement, ein fescher Untergangswalzer.
(Wiener Zeitung)

Elmar Goerden tut genau das Richtige: Er vertraut langen Prosapassagen, die enorme Wirkung tun, erzeugt Atmosphäre durch Abstraktion, was auf der stilisierten Bühne erstaunlich gelingt, und legt die Angelegenheit in die Hände eines Ensembles, wie man es in dieser Authentizität und Geschlossenheit anderswo längst nicht mehr aufbieten kann. Florian Teichtmeister als der letzte, absterbende Spross der Dynastie, Joseph Lorenz als gefühls-sprachloser Vater, Andrea Jonasson als Graf Chojnicki – das ist magische Schauspielkunst, exquisit begleitet durch Michael König, Pauline Knof und Peter Scholz. Die Josefstadt hält hier das Monopol.
(Kronen Zeitung)

Elmar Goerden ist ein packender, äußerst fordernder Abend gelungen – ein fulminantes Untergangskarussell. Radikale Textliebe, die sich in Form eines exzessiven Einsatzes jener Erzählstimme bemerkbar macht, die den Roman zu einem Klassiker gemacht hat, indem sie mühelos von der Totalen ins tiefste Innere der Figuren zoomt und wieder zurückschnellt, dass einem schwindlig werden könnte.
(APA)

Regie
Elmar Goerden

Bühnenbild
Silvia Merlo

Bühnenbild
Ulf Stengl

Kostüme
Lydia Kirchleitner

Dramaturgie
Barbara Nowotny

Licht
Manfred Grohs

Leutnant Carl Joseph Freiherr von Trotta und Sipolje
Florian Teichtmeister

Bezirkshauptmann Franz Freiherr von Trotta und Sipolje
Joseph Lorenz

Der Held von Solferino/Jacques/Dr. Skowronnek/Knopfmacher/Major Zoglauer
Michael König

Graf Chojnicki
Andrea Jonasson

Katharina Slama/Eva Demant
Pauline Knof

Doktor Max Demant/Kapturak
Peter Scholz

Oberst Kovacs/Valerie von Taußig/Fräulein Hirschwitz/Polizeirat Fuchs
Alexandra Krismer

Rittmeister Tattenbach/Hauptmann Wagner
Alexander Absenger

Wachtmeister Slama/Rittmeister Taittinger/Rittmeister Zschoch
Oliver Rosskopf

Amtsperson
Ingrid Winkler