Premiere: 13.05.2010
Arthur Schnitzler
Das weite Land
Koproduktion mit dem Stadttheater Klagenfurt
ca. 3 Stunden, eine Pause
"Ich glaube, dieses 'weite Land' ist wirklich die allerbeste Ihrer an guten Arbeiten so reichen zweiten Lebens- und Arbeitsperiode. Das Stück gehört so ganz Ihnen, und ist dabei so äußerst kräftig, so wunderschön zusammengehalten. Alle ihre nicht leicht in einem Atem aufzuzählenden Vorzüge: das so ganz persönliche Lebensgefühl, die höchst besondere Scala der Wertungen, die zarte und sichere Gestaltung, die leichte Hand für die Scenenführung, die Melancholie und der Witz, der höchst nötige bon sens, normale (aber seltene) Menschenverstand und dazu das tiefere poetisch-philosophische Zusammensehen und Nebeneinandersehen, die Güte, die Erfahrung, und zugleich ein entzückender Mangel an Routine, ein Frisches, Blühendes, Gespanntes überall – dies alles kommt zusammen, um ein Werk herzustellen, das sich in unvergleichlicher Weise im Gleichgewicht hält, weltlich und tief, theatermäßig und philosophisch, amüsant und bedeutend ist."
Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 20. Oktober 1910
"Das Stück ist eins der wenigen, zu dem ich mich bedingungslos bekenne. Dieses wird bleiben - ja man könnte fast sagen: Es wird erst kommen. Empfind ich bei so vielem von mir, dass ich etwas weniger bin als das, was ich selbst einen Künstler nenne; - hier bin ich - etwas mehr. Könnt ich’ s doch einmal noch mit gesunden Ohren hören!–"
Arthur Schnitzler, Tagebuch, 14. Juni 1915
"Es deutet sich darin eine Philosophie an, etwa des Inhalts, daß der Augenblick nichts ist als der wehmütige Punkt zwischen Verlangen und Erinnern. Daß leidenschaftliches Handeln nichts ist als eine Maske, hinter der der Mensch einsam bleibt."
Robert Musil
Klare, uneitle Inszenierung: Köpplinger vertraut auf die Sprache von Schnitzler, legt den Sarkasmus darin frei und verzichtet auf den singenden "Schnitzler-Ton". Ohne süßliche Behübschungen kann dieser meisterhafte Text aus dem Jahrhundertwende-Salon entfliehen. Plötzlich wird klar, wie nahe Schnitzler Tschechow steht - das Ungesagte erzählt die Geschichte - und wie viel er mit seinem Zeitgenossen Freud gemeinsam hat.
Hausherr Herbert Föttinger spielt dieses Raubtier Hofreiter, das immer wieder selbst überrascht zu sein scheint, wozu es fähig ist, schön leidenschaftlich und gefährlich. Sandra Cervik spielt die betrogene und dann selbst untreue Genia nicht als Opfer, sondern als starke Frau, die selbst zur Täterin wird, um ihrem Mann dadurch näherzukommen. Eine bemerkenswerte Darstellung. Gerti Drassl gibt die junge, lebenshungrige Erna so unverkünstelt, so natürlich, dass sie beinahe aus der Aufführung kippt - die stärkste Darstellung das Abends. Sensationell ist auch Helmuth Lohner, der in der kleinen Rolle als Hoteldirektor Aigner mit wenigen Gesten und Worten einen so spannenden, komplexen Charakter entwirft, dass es fast ein Stück im Stück ergibt.
(Kurier)
Josef E. Köpplinger, Intendant des Stadttheaters Klagenfurt, setzt in seiner durch die Bank prominent besetzten Koproduktion auf zwei scheinbar einfache Rezepte. Erstens: Schnitzlers Text bleibt Schnitzlers Text. Zweitens: In einem White Cube hat die Vorstellungskraft des Zuschauers viel Platz. Und so geriet die dreistündige Inszenierung, in der Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger und seine Ehefrau Sandra Cervik als Ehepaar Friedrich und Genia Hofreiter das Treue-Gebot hemmungslos zertrümmern, zu einem) klaren Blick auf die Zeitlosigkeit zwischenmenschlicher Abgründe.
Wie wenig man Schnitzlers Tragikomödie verorten muss, zeigte das kongeniale Bühnenbild von Rolf Langenfass: Neben dem schwarzen Flügel dominiert ein deckenhoher Baum, dessen dichte Blätterkrone manchmal verspielte, oft bedrohliche Schatten an die Bühnenwände wirft. Die eingesetzte Drehbühne spiegelt das unvermeidliche Karussell wider, in dem sich die Gesellschaft rund um die Hofreiter-Villa befindet. Die durch die kaum vorhandenen Requisiten entstehende Leere füllt das Ensemble von der ersten bis zur letzten Minute mit ungeheuerlicher Präsenz. Allen voran Föttinger und Cervik als hoffnungslos erkaltetes Ehepaar, das sich die Spitzen ins Herz treibt, wo's geht.
(APA)
Die Josefstadt bietet eine sensible Analyse der Gesellschaft und ihrer Konventionen in der Endzeit der österreichischen Monarchie. Josef E. Köpplingers Regie verlässt sich auf die Strahlkraft seines Ensembles. Ein starker, berührender Abend voll tragischer, trauriger Momente.
(Kronen Zeitung)
Föttinger spielt einen forschen Unternehmer, wie man ihm auch 2010 begegnen könnte. Er führt seine Ehe wie seine Fabrik zur privaten Gewinnmaximierung und Verlustmaximierung hat er ein paar bewährte Tricks drauf; und er hält ständig Ausschau nach neuen Märkten (Affären). Verlieren kann er nicht, verletzt ist er so schnell wie der Börsenkurs und sofern es ihm nicht gelingt, die jeweilige Blamage zu überspielen, ist seine Rache extrem unangenehm. Sandra Cervik als Genia leidet unter der Skrupellosigkeit ihres Mannes, scheint sich aber in ihrer weiten Seele einen Rest an Selbstachtung, Widerspenstigkeit und Entschlusskraft bewahrt zu haben. (...) Wenn sie einander – Genia und Friedrich, Cervik und Föttinger – Psychoduelle liefern, ist man als Zuseher elektrisiert.
(Österreich)
Einige schöne Melodien und goldrichtige Töne durchziehen diese Aufführung. Aus Gertraud Jesserers Anna Meinhold-Aigner, der Schauspielerin, die ihren einzigen Sohn durch ein Duell verliert, singt das alte Burgtheater betörend aus weiter Ferne. Der kantig-skurrile Hoteldirektor Helmuth Lohners, ist eine weitere gelungene Figur. Und das Beste ist der grindige Bankier Natter von Heribert Sasse: Herrlich!
(Die Presse)
Köpplinger geht es weder um eine plakative Aktualisierung des in den letzten Jahren viel gespielten Werkes, noch um einen nostalgisch-historisierenden Rückblick aufs Fin-de-siècle, sondern um die zeitlose Gültigkeit von Schnitzlers Seelenporträts.
(Wiener Zeitung)
Regie
Josef E. Köpplinger
Bühnenbild
Rolf Langenfass
Kostüme
Marie-Luise Walek
Dramaturgie
Sylvia Brandl
Licht
Emmerich Steigberger
Regieassistenz
Anna-Sophie von Gayl
Ton
Michael Huemer
Ton
Karl Szalay
Ton
Jakob Schell
Friedrich Hofreiter, Fabrikant
Herbert Föttinger
Genia, seine Frau
Sandra Cervik
Anna Meinhold-Aigner, Schauspielerin
Gertraud Jesserer
Otto, ihr Sohn, Marine-Fähnrich
Martin Hemmer
Doktor von Aigner, der geschiedene Gatte der Frau Meinhold
Helmuth Lohner
Frau Wahl
Elfriede Schüsseleder
Gustav, Frau Wahls Sohn
Simon Dietersdorfer
Erna, Frau Wahls Tochter
Gerti Drassl
Hilde Dalik (ab 18.09.2010)
Natter, Bankier
Heribert Sasse
Adele, Natters Frau
Alexandra Krismer
Doktor Franz Mauer, Arzt
Peter Scholz
Demeter Stanzides, Oberleutnant
Dennis Čubić
Roman Blumenschein (ab 18.09.2010)
Paul Kreindl
Rafael Schuchter
Albertus Rhon, Schriftsteller
Alexander Waechter
Marie, Rhons Frau
Susanna Wiegand
Serknitz
Friedrich Schwardtmann
Doktor Meyer
Christian Futterknecht
Rosenstock, Portier im Hotel am Völser Weiher
Kurt Sobotka
Penn, Führer
Michael Duregger
Ein Boy
Emanuel Kastner
Eine Französin
Anna-Sophie von Gayl
Ein Pianist
Konstantinos Diminakis