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Kammerspiele der Josefstadt
Premiere: 06.03.2025

John Steinbeck

Von Mäusen und Menschen

ca. 2 Stunden, 15 Minuten (Pause nach ca. 65 Minuten)

Deutsch von Katrin Janecke und Günter Blöcker
Bearbeitung von Torsten Fischer

Ein Mann geht kaputt, wenn er niemanden hat. Egal wen, Hauptsache er hat jemanden. Er wird sonst einsam und er wird krank.

Als ungleiches Paar ziehen die Wanderarbeiter Lennie und George durch das ländliche Kalifornien. Im Schatten der Großen Depression träumen sie von einem Stück Land, das ihnen gehört. Doch der American Dream ist schon für andere reserviert, und George kann Lennie nicht davor bewahren, immer wieder in neue Schwierigkeiten zu geraten…

John Steinbeck beschreibt in seinem zeitlosen Meisterwerk eine Gesellschaft, in der unerbittlich das Recht des Stärkeren gilt und die ohnehin schon Unterdrückten immer weiter gegeneinander aufgehetzt und in die Einsamkeit getrieben werden. Gleichzeitig ist es eine berührende Geschichte über eine Freundschaft gegen jede Wahrscheinlichkeit – und über das zärtliche Versprechen vom Glück, das immer dann möglich scheint, wenn man gemeinsam hofft und die Fantasie der Wirklichkeit trotzt.

Der spätere Nobelpreisträger Steinbeck war in jungen Jahren selbst als Wanderarbeiter tätig. Sein Roman Von Mäusen und Menschen, 1937 erschienen, war bereits in seiner ursprünglichen Konzeption als Drehbuch bzw. Theaterstück gedacht und wurde mehrfach verfilmt.

Der spätere Nobelpreisträger Steinbeck hatte den 1937 erschienenen Roman von Anfang an alternativ als Bühnenstück oder Drehbuch angelegt. Im Text dominieren die Dialoge, die Prosapassagen lassen sich wie Szenenanweisungen lesen. Aber sie glühen in einer von Farben, Duft und Erregung vibrierenden Sprache, und einige dieser grandiosen Texte werden von Fischer und Schäfer fließend in die Dialoge eingearbeitet. Das erzeugt augenblicklich eine derart bezwingende Atmosphäre, dass sich die Regie ganz auf die grausame Geschichte und die fabelhaften Rollen konzentrieren kann. Und wie das gelingt! Wie Fischer mit dem furiosen Ensemble arbeitet, ist außerordentlich. Der wendige, drahtige George (exzellent: Claudius von Stolzmann) kämpft hoffnungslos darum, seinen Kompagnon von der Katastrophe fernzuhalten. Dieser Lennie ist ein Idiot mit riesigem Herzen und noch größerer Kraft, der alles, was er liebt, zu Tode drückt. Was Robert Joseph Bartl, schon körperlich eine Idealbesetzung, hier zur Schmerzensgestalt formt, ist allerhand, herzzerreißend. Der dritte Ausnahmekönner ist Johannes Krisch als bald zum Abfall beförderter Arbeiter. Zu Beginn lagert die Gutsbesitzerfamilie – Luka Vlatkovic, Paul Matic und die wundervolle Paula Nocker – an der Rampe und beschwört singend die Country-Idylle, die sich alsbald als Höllen erweisen wird, besiedelt von Alexander Strömer und Ljubisa Lupo Grujcic, befehligt von Johannes Seilern.
(Kronen Zeitung)

Mit Claudius von Stolzmann als intelligenter, rechtschaffener George und Robert Joseph Bartl als tollpatschiger, zurückgebliebener Lennie hat Fischer die Hauptfiguren prototypisch besetzt. Wie Stolzmann als Hirn des ungleichen Duos voll der Hoffnung auf ein besseres Leben die Richtung vorgibt und ihm Bartl mit größtmöglicher Naivität hinterher stolpert, ist berührend. Johannes Krisch kehrt in der Rolle des altgedienten Arbeiters Candy mit gewohnter Intensität nach längerer Pause auf die Bühne zurück und bildet mit geheimnisvoller Aura einen Ausgleich zwischen den beiden so gegensätzlichen Protagonisten. Paul Matić als erfahrener Vorarbeiter Slim, Alexander Strömer als brutaler Rüpel Carlson und Ljubiša Lupo Grujčić als Außenseiter Crooks komplettieren die Gruppe von Männern, die einander im Umgang nichts schenken. Als einzige Frau gibt Paula Nocker die als Ehefrau des Chefs (Luka Vlatković) gelangweilte junge Dame, die den Männern - sehr zum Ärger ihres Gatten - im geblümten Kleid den Kopf verdreht. Nocker gelingt es in diesem weder wirklich in den 1930ern noch im Heute angesiedelten Setting, sich von koketter Naivität zu naiver Rebellion aufzuschwingen. Starke Schauspielleistungen!
(APA)

An der Seite des vifen George, dem der amtierende Nestroypreisträger von Stolzmann in angespannter Körperlichkeit auch die Überforderung einschreibt, gibt Bartel mit nie ausgestellter Unbeholfenheit und tragischer Ahnungslosigkeit den Problembären Lennie. Der Großteil des Abends gehört den Arbeitern und ihren existenziellen Sorgen sowie ihren zwischenmenschlichen Spannungen, darunter Johannes Krisch als geradezu verzauberter alter Knecht. Das Ensemble glänzt.
(Der Standard)

Claudius von Stolzmann kümmert sich als rechtschaffener George geradezu rührend um Lennie, den tollpatschigen Kraftlackel. Robert Joseph Bartl ahmt mit nestelnden Handbewegungen, verlorenen Blicken hinter seiner Brille und allerlei Ticks einen geistig zurückgebliebenen Menschen nach. Aber er gibt sein Riesenbaby in keiner Sekunde der Lächerlichkeit preis, er nimmt einen gefangen mit seiner liebevollen Interpretationen und brilliert. Die Bestien spielen lautstark Bestien (darunter Alexander Strömer als Carlson und Luka Vlatković als Curley). Der arg gebeutelte Jammerlappen des Johannes Krisch dauert einen. Torsten Fischers unaufgeregte, straighte Inszenierung, garniert mit sehnsuchtsvollen Liedern, ist traditionelles Guckkastentheater. Aber mit welcher Intensität!
(KURIER)

Torsten Fischer hat die Prosa für die Bühne bearbeitet und mit einem differenziert abgestimmten Ensemble inszeniert. In rund zwei Stunden wird der Geist der Steinbeck-Zeit erfolgreich reanimiert. Wer hier nach der Aufführung nicht gerührt das Theater verlässt, der hat kein Herz. Robert Joseph Bartl ist mit jeder Faser dieser Hüne Lennie. Sein Freund George versucht ihn zu beschützen. Klein, nervös und dominant zugleich, also passgenau für diese traurige Geschichte, legt Claudius von Stolzmann diesen Charakter an. Das Ensemble agiert nicht nur, es erzählt. Das Epische fügt sich geschmeidig ins Dramatische ein. Neun Charakterköpfe sind zu bestaunen: Johannes Krisch als Faktotum, Alexander Strömer als eine Art Westernheld, Ljubiša Lupo Grujčić, der das Leid eines illegalen Einwanderers personifiziert. Als Kontrast dient die Familie der Arbeitgeber. Johannes Seilern ist der kalte Boss, Luka Vlatković sein stets Streit suchender Sohn, Paula Nocker die kokette Frau des Soziopathen. Steinbeck führt einfühlsam, mit schön schlichten Naturschilderungen, aber auch gnadenlos vor, wie böse jederlei Art von Benachteiligung enden kann. Das Ensemble lässt sich auf dieses destruktive Spiel mutig ein. Es agiert subtil bis enthemmt.
(Die Presse)

Torsten Fischer inszeniert den Stoff in 135 Minuten episch und ohne Firlefanz vor blutrotem Sonnenuntergang und riesigem Ventilator einer überhitzten Welt, in der Freundschaft und Barmherzigkeit verdampft sind. Die Figuren entfalten Beziehungen mit Magnetismus und schmerzhaften Enttäuschungen, das Ensemble steigert sich von Szene zu Szene. Wie Johannes Krisch den ausrangierten Farm-Arbeitskrüppel Candy mit einem Geheimnis ausstattet, ist die Fahrt in die Kammerspiele des Wiener Theaters in der Josefstadt schon wert. Steinbecks Literatur von der Gegenwart mit Relevanz beatmet.
(OÖN)