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Theater in der Josefstadt
Premiere: 05.09.2013

Thomas Bernhard

Vor dem Ruhestand

Eine Komödie von deutscher Seele

ca. 2 Stunden, 45 Minuten, eine Pause

Der Gerichtspräsident und ehemalige SS-Offizier Rudolf Höller steht kurz vor dem Ruhestand. Nach dem Krieg hatte er jahrelang im Untergrund gelebt, versteckt von seinen beiden Schwestern Vera und Clara, doch dann stand seiner erfolgreichen Karriere nichts mehr im Wege. "Familie Höller" selbst begreift sich auch heute noch als Verschwörung gegen das Leben außerhalb der Mauern, als Bollwerk des Nationalsozialismus. Einzige Gegenstimme dabei ist Clara, die seit einem Luftangriff im Rollstuhl sitzt und täglich am Familienidyll rüttelt, das Vera mühsam versucht aufrecht zu erhalten.
Alljährlich hat Rudolf einen besonderen Dienst zu tun: am 7. Oktober feiert er im Kreise seiner Liebsten den Geburtstag seines ehemaligen Vorgesetzten Heinrich Himmler – ein Rechenschaftstag.
An diesem Tag lässt Thomas Bernhard seine "Komödie von deutscher Seele" spielen. In der Verschwörung der Geschwister wechseln Täter- und Opferrollen ständig, wie auch die Zeiten: bei Fürst Metternich werden die Erinnerung beschworen und die Zukunft begossen. Ein ununterbrochener Stellungskrieg in der Verdrängung und Demaskierung von Schuld und Verantwortung. Unter dem Brennglas des Familiengefüges seziert Thomas Bernhard dabei gnadenlos die Funktionsweise und perfide Logik des Nationalsozialismus.

Dass Elmar Goerdens präzise in jeder Hinsicht überzeugende Inszenierung zum frenetisch akklamierten Theaterabend wurde, hat vor allem mit den grandiosen Schauspielerleistungen zu tun. Nicole Heesters in ihrer herben, eleganten Eisigkeit ist eine Idealbesetzung für die Rolle der Vera. Wie sie vom Kommandoton der in Ehren ergrauten Nazi-Schickse, die ihre im Rollstuhl sitzende Schwester malträtiert, in den lieblich-koketten Tonfall der gealterten BDM-Maid verfällt, die dem vergötterten Bruder um den Bart streicht, ist eine Klasse für sich. Ganz, ganz stark aber auch Sona MacDonald, das "Familienopfer" im Rollstuhl. In ihrem Mienenspiel paart sich giftmischerinnenhafte Devotheit mit lauernder Aggressivität, eine gequälte Seele, die auch ihre Lieben nach Kräften quält. Zu Hause bei den Höllers: ein dreistündiger Höllentrip, der unter die Haut geht.
(Deutschlandradio)

Goerden hat sich für seine bemerkenswerte Arbeit mit exzellenten Schauspielern umgeben: Michael Mendl, Nicole Heesters und Sona MacDonald. Nicht Kollegen, sondern langjährige Freunde – was dem Abend eine besondere Intimität, eine neue Note verleiht. Eine, die auf Teile des Publikums verstörend wirkte. Denn Goerden, wie stets mit feiner Hand bei der Sache, zeigt keine "Monster" in Übergröße, Figuren, wie sie von Prater-Geisterbahnen herunterbaumeln. Er hat kein "Achtung, Nazis!"- Taferl aufgestellt. Er zeigt einfach Menschen, Bernhardisch beinhard und berührend, die Banalität des Bösen (um Hannah Arendt zu bemühen), die den Verwaltungsmassenmord für ihr gutes deutsches Recht halten.
(Mottingers Meinung)

Eine wunderbar kluge Aufführung.
(Der Standard)

Indem Goerden Bernhards Text in den Alltagstonfall holt, werden die Figuren zu Menschen. Plötzlich merkt man: Solche kennen wir. Solche, die gemütlich daherreden, und man muss zwei Mal hinhören, ehe man bemerkt: Die sagen furchtbare Dinge.(...)Michael Mendl interpretiert den Rudolf als armes Würschtl, das seine Wirkung daraus bezieht, dass es einmal ein Täter war. Nicole Heesters ist sehr stark als Vera, das alt gewordene BDM-Mädel. Sona MacDonald ist als Clara sensationell: Verzweifelt kämpft sie um einen letzten Rest ihrer Würde. Elmar Goerdens Inszenierung zeigt, was auch Bernhards Intention war: Das Böse ist keine strahlende Ausnahmeerscheinung, das Böse ist bieder, nostalgieselig und hat Hämorrhoiden.
(Kurier)

Trotz der erwähnten Manieriertheit ist diese Inszenierung des inzwischen zum Klassiker gereiften Stückes, das noch in der Zeit der heftigsten innerdeutschen Terror-Debatte entstanden ist, durchaus gelungen. Und das liegt in wesentlichem Maß an der hervorragenden Besetzung. Nicole Heesters vollbringt als dominante, noch 30 Jahre nach dem Krieg der Nazi-Ideologie verhaftete Vera einen Kraftakt. Voll Konzentration, mit großer Ausdrucksfähigkeit zaubert sie diese furchtbaren, enthüllenden Monologe hervor, während sie hingebungsvoll den Talar des Bruders, dann seine Uniform bügelt.
Sona MacDonald hat als Clara weniger Text. Diese Schwester sitzt im Rollstuhl (eine US-Fliegerbombe hat sie in den letzten Kriegstagen erwischt), liest linke Literatur, Zeitungen, sozusagen im Widerstand gegen die Geschwister. MacDonalds Mimik und Gesten sind das Korrektiv zu den Ungeheuerlichkeiten der beiden anderen. Sie spielt diese vorwiegend passive Rolle mit Verve. Auch diese Kontrahentin zeigt manchmal Gefühl für ihre Geschwister, wirbt um sie – das macht den Hass erst glaubwürdig. Ein echter Gewinn für die Josefstadt ist Michael Mendl (bei seinem Theater-Comeback nach vielen Jahren TV- und Kinofilm), selbst wenn er noch leichte Anpassungsprobleme an den Wiener Ton hat, mit dem er konfrontiert wird. Aber er zeigt starke Präsenz, auch durch seine melodiöse Stimme, und verleiht dieser bizarren Kunstfigur (auf Kosten des Dämonischen) menschliche Züge. Dieser Familienmensch soll ein Mörder sein, dessen einziges Mitleid nur sich selbst gilt?
(Die Presse)

Beeindruckend und pointensicher.
(Wiener Zeitung)

Brillante Regie. Kein leichter Abend, aber ein wichtiger.
(Volksblatt)

Fulminante Darsteller.
(Kleine Zeitung)

Regie
Elmar Goerden

Bühnenbild
Silvia Merlo

Bühnenbild
Ulf Stengl

Kostüme
Lydia Kirchleitner

Musik
Matteo Fargion

Dramaturgie
Katharina Schuster

Licht
Emmerich Steigberger

Rudolf Höller, Gerichtspräsident und ehemaliger SS-Offizier
Michael Mendl

Clara, seine Schwester
Sona MacDonald

Vera, seine Schwester
Nicole Heesters