Premiere: 18.10.2018
Friedrich Dürrenmatt
Der Besuch der alten Dame
Eine tragische Komödie
ca. 2 Stunden, 10 Minuten (Pause nach ca. 70 Minuten)
Und nun wollen Sie Gerechtigkeit, Claire Zachanassian?
Ich kann sie mir leisten.
Wieviel ist ein Menschenleben wert? Eine Milliarde bietet Claire Zachanassian den Einwohnern des Städtchens Güllen, wenn dafür der Mann, der sie einst ins Unglück stürzte, von seinen Mitbürgern geopfert wird. Die entrüsteten Güllener lehnen das Angebot zunächst entschieden ab. Doch wie lange können sie der Verlockung des Geldes widerstehen? Und verdient das Opfer nicht im Grunde die Strafe? Dürrenmatts zeitlose Tragikomödie bietet eine Paraderolle für die Nestroy-Preisträgerin Andrea Jonasson.
Ich habe nichts gegen Gesellschaftsordnungen, die partiell vernünftig sind, ich weigere mich nur, sie heilig zu sprechen und den gewaltigen Rest ihrer Unvernunft und ihrer Tabus als gottgegeben hinzunehmen: ich halte halbwegs vernünftige Gesellschaftsordnungen für verbesserungswürdig. Ich bin mit Sokrates der Meinung, die Größe eines Menschen liege darin, das Unrecht, das ihm widerfährt, ertragen zu können, es braucht jedoch soviel Größe dazu, dass ich es für meine politische Pflicht halte, alles zu versuchen, was einen Menschen hindert, in die Lage zu kommen, die Größe aufzubringen, ein solches Unrecht ertragen zu müssen.
Friedrich Dürrenmatt
Der Besuch einer Milliardärin in ihrer Heimatstadt ist heute ein Medienereignis. Mir geht es darum das Stück aus der putzigen Provinz der 50er Jahre in eine Vision von Gegenwarts-Machinationen zu verschieben. Zentral geht es um Mechanismen von Politik und Korruption, von Moral und Manipulation.
Stephan Müller
Der Schweizer Stephan Müller arbeitet als freier Regisseur an vielen renommierten Theater- und Opernhäusern (u.a. Burgtheater, Schauspielhaus Zürich, Theater Basel, Public Theater New York). Der Besuch der alten Dame ist seine erste Arbeit am Theater in der Josefstadt.
Für diese so lehrreiche wie heimtückische Rachetragödienkomödienposse ist Jonasson eine Idealbesetzung. Sie spielt ihre Stärken (gnadenlose Präsenz und eine Modulation, die vom gefährlich einschmeichelnden Gurren bis ans Schneidende reicht) so souverän und grandios aus wie Michael König die allmähliche Entwicklung eines Täters zum Opfer. Er spielt diese Ambiguität in mehr als zwei Stunden filigran und brillant – ein eitler Protz wird zum Leidensmann. Regisseur Stephan Müller lässt diesem fantastischen Gegensatzpaar in seiner packenden Inszenierung viel Raum, umgibt es mit einer Fülle josefstädtischer Charakterköpfe. Martina Stilp und Alexandra Krismer wirken als Reporterinnen in ihrer schmeichlerischen Sensationslust so vertraut, als ob man sie beim Zappen vom richtigen Leben ins falsche seit Langem kennte.
Sophie Lux hat ein komplexes Bühnenbild geschaffen, mit aufwendigen Video-Schattenspielen. Wie von Zauberhand entstehen auf einem formatfüllenden transparenten Screen Fronten von Kameras oder ganze Wälder.
(Die Presse)
Dass einen ein schon vor langer Zeit zu Tode gespielter Klassiker hier und heute anspringt wie die von hyperventilierenden Moderatoren präsentierten News, dafür sorgt Stephan Müller bei seinem Regiedebüt in der Josefstadt. Und drückt dabei aufs Tempo. Keine Spur mehr von der putzigen Provinz der 50er-Jahre beim stark bearbeiteten Dauerbrenner "Der Besuch der alten Dame".
Andrea Jonasson ist als steinreiche, aber auch versteinerte Claire Zachanassian die Eiskalte und Mondäne mit Hang zur Melancholie: Sie kennt die Welt, weil sie ihr gehört. Michael König als Claires einstiger Verführer Alfred Ill, mutiert vom jovialen Schwerenöter zum Verfolgten ohne Unrechtseinsicht.
Das bravourös agierende Ensemble führt schön vor, wie schnell Werte und Worte umgewertet werden können in Barbarei. Verlogen und larmoyant, schmierig und schmeichelnd – mit Referenz an Dürrenmatts bitterböse und entlarvende Komik.
Denn nur lachend lässt sich das Komische am Tragischen, das Groteske und Aberwitzige und das abgrundtief Schwarzhumorige am ehesten ertragen.
(KURIER)
Stephan Müller rückt die körperlichen Beeinträchtigungen in den Vordergrund, stilisiert Jonasson - in einem durchaus interessanten Ansatz - zu einer Rachegöttin von beinahe antikem Ausmaß (Birgit Hutter entfacht einen veritablen Kostümrausch). Jonassons Auftritte haben etwas von einem feierlichen Hochamt. An ihrer Seite spielt Michael König mit Verve den gealterten Don Juan, dem sie ans Leben will.
(Wiener Zeitung)
Stephan Müller inszeniert Dürrenmatt-Klassiker "Der Besuch der alten Dame" zwischen allgegenwärtiger Medienpräsenz und dem Leben auf Kredit. Die Allgegenwart der Medien nehmen Regisseur Stephan Müller und Bühnenbildnerin Sophie Lux gleich im ersten Bild vorweg. Die aufdringliche Präsenz der Kameras und die Dauer-Kommentierung durch Martina Stilp und Alexandra Krismer als Reporterinnen macht die Situation doppelt spannend. Es ist eine Freude, den Dorfbewohnern rund um Johann Seilern als finsterem Pfarrer, Alexander Strobele als hinterlistigem Arzt oder Oliver Huether als auftrainiertem Polizisten dabei zuzusehen, wie sie sich binnen kürzester Zeit von loyalen Freunden zu geldgierigen Rächern wandeln. Im Zentrum glänzen allerdings Andrea Jonasson mit ihrer raumgreifenden Grazie und Michael König als verzweifelter Naiver ohne Unrechtsbewusstsein – ein grandioses Duo.
(APA)
Regisseur Stephan Müller, der mit seiner Interpretation des Dürrenmatt-Klassikers "Der Besuch der alten Dame" am Theater in der Josefstadt sein Debüt am Haus gibt, versucht es mit einem Deutlichmachen des Zeitungeists – und reüssiert damit. Martina Stilp, Alexandra Krismer und Michael Würmer kommentieren, analysieren, diskutieren als krawallige Fernsehleute mit gekonnter Privatsender-Schnappatmung die Situationen, in die sich die kleingeistigen Kleinstädter mit ihren Machenschaften manövrieren, auf fünf Monitore wird das übertragen (Bühnenbild und Video: Sophie Lux). Grande Dame Andrea Jonasson ist eine Idealbesetzung. Die Jonasson changiert wie das ihr von Birgit Hutter angepasste schwarze Designerkleid zwischen mephistophelisch monströs und ob Claires Prothesen mondän ungelenk. Sie ist ganz gelassen, stoisch und seelenruhig abwartend und süffisant, die Stimme moduliert sie von gefährlich schmeichlerisch zu scharfzüngig bedrohlich. Den Ill gibt Michael König zunächst mit dem Image eines gealterten Don Juan, bis seine Verve in wütende Verzweiflung, schließlich in Weltmüdigkeit umschlägt. Sehr schön ist zu sehen, wie diesem einstigen Schwerenöter die Selbstgefälligkeit aus dem Gesicht fällt, filigran, fast jedermännisch gestaltet.
(Mottingers Meinung)
Andrea Jonasson, eine grandios elegante, ehrfurchtsgebietende Erscheinung in einem raffiniert einfachen Bühnenbild von Sophie Lux.
(Kronen Zeitung)
Durch Stephan Müllers umfassende Aktualisierung – eine angeregte TV-Vermittlungsebene, Charity, Tesla-Aktien, feministische Rache – bekommt die "alte Dame" Dringlichkeit. Andrea Jonasson spielt die nach Gerechtigkeit trachtende Millionärin mit vielen Zwischentönen.
(Falter)
Regie
Stephan Müller
Bühnenbild und Video
Sophie Lux
Kostüme
Birgit Hutter
Musik
Fabian Kalker
Dramaturgie
Barbara Nowotny
Licht
Pepe Starman
Claire Zachanassian, geb. Wäscher, Multimillionärin (Armenian Oil)
Andrea Jonasson
Claires Gatten (VII-IX)
Lukas Spisser
Der Butler
Markus Kofler
Frau Ill
Elfriede Schüsseleder
Ills Tochter
Gioia Osthoff
Ills Sohn/Hofbauer
Tobias Reinthaller
Der Bürgermeister
Siegfried Walther
Der Pfarrer
Johannes Seilern
Der Lehrer
André Pohl
Der Arzt
Alexander Strobele
Der Polizist/Helmesberger
Oliver Huether
Ein Blumenmädchen
Anna Breyvogel
/ Arwen Hollweg
Reporterin I
Martina Stilp
Reporterin II
Alexandra Krismer
Kameramann und Fotograf
Michael Würmer