Premiere: 26.11.2015
Torsten Fischer / Herbert Schäfer
Blue Moon
Uraufführung / Eine Hommage an Billie Holiday Uraufführung
ca. 1 Stunde, 55 Minuten, eine Pause
Ruhm und Tragödie einer Jazz-Legende: Billie Holiday sang so intensiv, wie sie lebte.
Im Haar eine weiße Gardenie, im Hirn Bilder von gelynchten Schwarzen, unter der Haut angefressen vom weißen Schnee Heroin.
Erste kleine Auftritte in den Clubs von Harlem und Beginn ihrer Karriere, als Benny Goodman sie dort hört. Schnell wird sie zu einer Ikone der Swing-Ära.
Der Wendepunkt im "Café Society", dem ersten New Yorker Jazzclub ohne Rassentrennung, in dem es sogar möglich war, einen Song wie "Strange Fruit" zu singen, eine offene Anklage gegen die rassistische Lynch-Justiz der Südstaaten.
Ihre Männer waren halb Dealer, halb Zuhälter, die ihre Drogensucht ausnutzten.
Den letzten Haftbefehl reichten ihr Beamte des Rauschgift-Dezernats auf dem Sterbebett.
Billie Holiday (1915-1959) wurde vor einhundert Jahren geboren.
Man hat mir gesagt, dass niemand das Wort "Hunter" so singt wie ich. Genauso das Wort "Liebe". Vielleicht liegt das daran, dass ich weiß, was diese Worte bedeuten.
Billie Holiday
Triumph für eine Schauspielerin.
Sona MacDonald brilliert mit einer Palette schillernder Tonfarben und melodiöser Lautmalerei in allen nur vorstellbaren Facetten. Jedes der bekannten Lieder ist ein Gesamtkunstwerk für sich. MacDonald setzt nicht so sehr Holiday ein Denkmal als sich selbst als Jazz-Interpretin: Soul mit Sona, im Sinne von Seele, so könne man diesen Abend betrachten. Der donnernde Applaus für jede Nummer wirkt absolut verdient.
Okonkwo als vitaler Verehrer, Misshandler und Erzähler ist gleichfalls großartig. Ebenso die Band (Christian Frank, Herbert Berger, Andy Mayerl, Klaus Peréz-Salado). Jazz-Habitués mögen über dieses kitschige Konzerttheater die Nase rümpfen. Die Premierenbesucher waren begeistert.
(Die Presse)
Viel gewagt und alles gewonnen - auf diesen simplen Nenner lässt sich die Uraufführung von "Blue Moon" in den Kammerspielen der Josefstadt bringen. Denn Regisseur Torsten Fischer hat mit Ko-Autor Herbert Schäfer eine kluge, bewegende, verstörende Hommage an die legendäre Jazz-Sängerin Billie Holiday verfasst, die von der Musik und von der famosen Sona MacDonald lebt.
20 Songs haben Fischer und sein Team ausgewählt, anhand derer das meist kurze Glück und oft viel längere Leid der großen Billie Holiday (1915-1959) geschildert wird. Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos haben dafür eine geschmackvolle Bühne mit Spiegel und Bar-Atmosphäre geschaffen; eine exzellente, vierköpfige Live-Band ist omnipräsent. Wie auch Nikolaus Okonkwo, der gekonnt zwischen Erzähler (man hält sich an Holidays eigene, verfälschte Biografie "Lady sings the Blues") und Mitspieler changiert, der jedoch ihr den Vortritt lässt.
Und sie - das ist Sona MacDonald, die sich Billie Holiday und ihre Musik gespenstisch gut angeeignet hat. Da passt jede Geste, da stimmt jede Bewegung, da spürt man in den Songs die gesamte Fragilität wie auch die Wut der realen Billie Holiday.
Wie MacDonald Klassiker von "Strange Fruit" über "You're My Thrill", "As Times Goes By" bis zu "Blue Moon" nicht nur singt, sondern gestaltet, ist Weltklasse. Denn mittels der Songs wird Holidays Geschichte erzählt. Die Gefahr einer bloßen Nummernrevue besteht aber nie. Denn Sona MacDonald imitiert Holiday nicht, sondern lebt sie unglaublich intensiv nach. Standing Ovations!
(KURIER)
Mit Jubelstürmen bedachte das Publikum Sona MacDonalds denkwürdigen Versuch, in die Rolle von US-Sängerin Billie Holiday zu schlüpfen. Die Hommage "Blue Moon" ist rundum geglückt: eine geradezu schlampige Songrevue, hinreißend gelungen.
MacDonald imitiert Holiday nicht, sondern verschmilzt mit dem Gesang, den sie zugleich sorgfältig präpariert. Der Mond strahlt, die vierköpfige Band (Leitung: Christian Frank) legt einen daunenweichen Teppich. Formvollendet.
(Der Standard)
Sona MacDonald brilliert als Jazz-Ikone Billie Holiday in der Revue "Blue Moon".
Anhand von 20 tollen Songs erzählt MacDonald die Geschichte einer großen Künstlerin, die am Rassismus und am Leben zerbricht. Als Billies Ehemänner, Liebhaber und Musiker besticht der charismatische Deutsch-Afrikaner Nikolaus Okonkwo; ein Jazz-Quartett um den Pianisten Christian Frank mit Herbert Berger (Saxophon), Andy Mayerl (Kontrabass) und Klaus Pérez-Salado (Schlagzeug) sorgt für den richtigen Sound. Jubel."
(Österreich)
"Blue Moon" nennen Regisseur Torsten Fischer und Herbert Schäfer ihre Hommage an Billie Holiday, die in den Kammerspielen eine vielbejubelte, mit Ovationen gefeierte Uraufführung erlebte.
Jeder Moment ist in MacDonalds Gesprächen mit Nikolaus Okonkwo, der sich von Szene zu Szene verwandelt, eine delikate Studie. Voll raffinierter Sprach- und Gesangsdetails.
Jazzsong-Kultur vom Feinsten!
(Kronen Zeitung)
Stimme hat eine Farbe - eine Klangfarbe. Wenn Sona MacDonald Billie Holiday singt, ist sie dunkler Purpur. Ein Ton zwischen Herzblut und blauer Fleck. An den Kammerspielen wurde "Blue Moon. Eine Hommage an Billie Holiday" uraufgeführt. Und wer die MacDonald jemals als Marlene Dietrich in "Spatz und Engel" gesehen hat, weiß, wie groß und großartig diese neuerliche Verwandlung ist. Sie wolle nicht kopieren, sagte die Schauspielerin, sondern sich mit tiefer Verehrung annähern. Sona MacDonald ist nicht "in die - von" geschlüpft, sie geht direkt unter...Ihre Stimme ein subkutaner Schmerz und gleichzeitig dessen Linderung. Wie sie voller Sehnsucht über die Schläge von Männerfäusten singt, wie sie frohlocken kann über menschliche Niedertracht.
Regisseur Torsten Fischer und Autor Herbert Schäfer haben den Abend gestaltet. Er ergibt sich aus Zeitzeugenaussagen und Zeitungsartikeln, aus Liedern und Bildern. Aus Julia Blackburns Gesprächssammlung "Billie Holiday". Aus Holidays Autobiografie "Lady Sings The Blues". Jazz ist die Kunst des Ungenauen, und so genau wollte Billie Holiday über ihr Leben wohl gar nichts wissen. Sie hat es immer wieder und immer wieder neu erzählt. Und es zelebriert, es inszeniert wie ihre Auftritte. Das lässt im Ungefähren die Ahnung einer Frau entstehen. Mehr wollten Fischer und Schäfer nicht. Der Abend ist kein Biopic, er erzählt The Essentials und vom Feeling, er setzt Spotlights auf Stationen dieser Schmerzensfrau, mit 20 Songs von "Mean To Me" über "God Bless The Child" bis "Lover Man". Und "Strange Fruit", vor der Pause dieses Lied gegen Lynchjustiz vom russisch-jüdischen Kommunisten Abel Meeropol. Außenseiter traf Außenseiterin. Billie Holiday war keine Bürgerrechtlerin, sie war die Künstlerin, die dem Protest gegen den Ku-Klux-Klan ihre Stimme lieh. Seit Barack Obama US-Präsident ist, kommen die Kapuzen wieder in Mode.
Die Farbe, also. Die Haut. Jede Schattierung wirft einen Schatten auf die Person. MacDonald spielt die Schwärzung des Gesichts. Als Billie Holiday mit der Big Band von Count Basie im von Rassenunruhen getriebenen Detroit auftreten will, ist sie dem Veranstalter nicht "Nigger" genug. Die Sängerin sehe zu gelb aus, man könne sie für eine Weiße halten. Also drücken sie Lady Day schwarze Creme in die Hand. Sie flucht, sie tobt, dann färbt sie sich dunkel. "Du kannst bis zu den Brüsten in weißer Seide stecken, mit Gardenien im Haar, kein Zuckerrohr weit und breit, und trotzdem immer noch auf einer Plantage arbeiten." Zwei Tage ist es her, da sah man die Aufnahmen, wie Laquan McDonald in Chicago getötet wurde. Ein Messer gegen sechzehn Schüsse aus einer Polizeiwaffe. Als MacDonald die Farbe abwischt bleiben dunkel Augenringe, wie Wimperntusche nach dem Weinen, wie das Eye Black der American-Football-Spieler. Abwehr, Angriff, man darf sich nicht blenden lassen. Doch trotz Bemalung, dieser Krieg gegen Rassismus und Rauschgift ist nicht zu gewinnen. Hope - Dreams - You steht an der Wand (Bühnenbild und Kostüme sind von Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos), alle drei durchgestrichen, alle drei zerschmettert. Das Leben ist Himmel und Hölle. So hieß Holidays Lieblingsdrink aus Portwein und Gin.
"Blue Moon" erzählt davon, was Menschen sich und einander antun. Der Abend ist in diesem Sinne ein Plädoyer für Respekt. Er ist mehr Konzert als Drama, es reden zwischen den Songs manche Popstars mehr auf der Bühne, doch mehr Dialog war im Leben dieser Vereinsamenden nicht drin. Nikolaus Okonkwo ist dessen Chronist, ein sich unbeteiligt lässig gebender Beteiligter an diesem Schicksal. Er ist alle Liebhaber, drei Ehemänner, die Drogendealer, Joe Guy, John Levy, Jimmy Monroe, Louis McKay...Billie Holiday hatte einen fatalen Hang zu den bösen Buben; den einzig guten, ihren Soul Mate, verkörpert folgerichtig der Mann mit dem Sax: Herbert Berger als Lester Young; er nennt sie Lady Day, sie nennt ihn Pres, von President. Sein Tod wird ihr Ende sein. Christian Frank hat die Lieder für Sona MacDonald arrangiert; ihn, am Klavier, unterstützen außerdem Andy Mayerl am Kontrabass und Klaus Pérez-Salado am Schlagzeug.
Die Kammerspiele können Swing und Blues. MacDonald singt Synkopen und Sarkasmus, spielt Eskalation und Eskapismus. Spielt Kumpelhaftigkeit als Attitüde einer Diva und das Gossenkind, das sich in Eleganz kleidet. Sie weiß: Wenn's so weh tut, dass man es nicht mehr spürt. Selbst auf dem Häusl herrscht Segregation. Keine weißen Klobrillen für Sklavenhintern. "Wenn ich keine Toilette finde, die ich benutzen darf, na dann gehe ich eben in die Büsche", sagt Billie Holiday. Sona MacDonald verschleift die Worte, slangt die Sätze, nur beim Singen betont sie präzise. Sie gestaltet den Verfall dieser einzigartigen Stimme und die Ironie, dass sie im Verblühen an Ausdruckskraft zunimmt. 2015 wäre Billie Holiday hundert Jahre alt geworden, mit 40 Jahren hatte sie gerechnet, 44 sind es geworden. Dann war die Nadel in der Auslaufrille angelangt. Als sie stirbt, umringen Polizisten ihr Krankenhausbett, man will sie nicht gehen lassen, sondern wegen Drogenbesitzes inhaftieren.
Die Kammerspiele beschwören für Billie Holiday, die Ausnahmeerscheinung, noch einmal den blauen Mond. Die blaue Stunde. Torsten Fischer ist eine fabelhafte Hommage an diese Interpretin des Great American Songbook gelungen. Doch er zeigt auch eine Welt, die sich zwar weitergedreht hat, aber wenig vorwärtsgekommen ist. Timbre ist das besser Wort. "Blue Moon" sollte langen Nachhall haben. So set, em' up, Joe, I got a little story I think you should know...
(Mottingers Meinung)
Bejubelt: Jede Nuance von Holidays fragilem Timbre hat sich Sona MacDonald einverleibt. Als Kontrapunkt dazu noch die authentisch wegwerfenden Gesten, mit denen die Jazz-Ikone ihre Songs nicht interpretiert, sondern schlicht benutzt hat. Ein glaubwürdiges Porträt.
(APA)
Regie
Torsten Fischer
Bühnenbild und Kostüme
Herbert Schäfer
Bühnenbild und Kostüme
Vasilis Triantafillopoulos
Dramaturgie
Herbert Schäfer
Licht
Manfred Grohs
Musikalische Leitung
Christian Frank
Er
Nikolaus Okonkwo
Klavier
Christian Frank
Saxophon/Klarinette/Flöte
Herbert Berger
altern. Saxophon, Klarinette, Flöte
Martin Fuß
Kontrabaß
Andy Mayerl
altern. Kontrabaß
Tibor Kövesdi
Schlagzeug
Klaus Pérez-Salado
altern. Schlagzeug
Lukas Knöfler