Premiere: 15.03.2012
Nick Whitby
Sein oder Nichtsein
Österreichische Erstaufführung
ca. 2 Stunden, 10 Minuten, eine Pause
Nach dem gleichnamigen Film von Ernst Lubitsch
Drehbuch von Edwin Justus Mayer und Melchior Lengyel
Ernst Lubitsch (1892–1947) gilt als einer der großen Wegbereiter des populären Kinos. Der legendäre "Lubitsch touch" ist nach wie vor unerreicht. Dieses Markenzeichen seiner mitunter frivolen Gesellschaftskomödien bestand darin, nicht alle Details der Handlung zu zeigen, sondern es dem Zuschauer zu überlassen, die Handlung zu vervollständigen. Im damals sittenstrengen Amerika mit seinen scharfen Zensurbestimmungen vermochte Lubitsch auf diese Art durchaus gewagte Situationen und Doppeldeutigkeiten in die Handlung zu integrieren, ohne dabei ins Schlüpfrige oder Vulgäre abzurutschen.
1942 drehte Lubitsch in Amerika "Sein oder Nichtsein", einen seiner bekanntesten Filme, eine Nazi-Farce mit abgründiger Leichtigkeit und längst Legende. Die entschiedene Abrechung mit nationalsozialistischer Ideologie verbindet mutig und intelligent Komik mit Grauen. Der Film wurde nach seinem Erscheinen erst mit Missfallen aufgenommen und löste ziemliche Kontroversen aus, weil er den Nationalsozialismus scheinbar zu leichtfertig behandelte. Ihm wurde vorgeworfen, sich über das Leiden der Polen lustig zu machen. Zeigte er doch eine polnische Theatergruppe im besetzten Warschau und ihre heiterkeitserregende Konfrontation mit Hitlers Gestapo. Ernst Lubitsch schrieb daraufhin einen Artikel in der NewYorkTimes, in dem er Folgendes festhielt: "Ich gebe zu, dass ich nicht die Methoden gebraucht habe, die man normalerweise verwendet, wenn man Nazi-Terror darstellen will. Keine Folterkammer wird gefilmt, keine Prügel werden gezeigt, keine Nahaufnahmen von Nazis, die mit den Augen rollen und Spaß dabei haben, ihre Peitschen zu schwingen. Meine Nazis sind anders, sie haben diese Phase schon lang hinter sich gelassen. Brutalität, Prügel und Folter sind zu ihrer täglichen Routine geworden. Sie reden darüber in der gleichen Art und Weise, wie ein Verkäufer über seine Ware reden würde. Ihre Witze spielen sich in Konzentrationslagern ab, ihr Humor speist sich aus dem Leid ihrer Opfer."
Doch "Sein oder Nichtsein" ist nicht nur eine Satire, sondern auch ein Hohelied auf den unbezwingbaren Mut und Humor der Menschen im Angesicht des Unglücks.
Regisseur Peter Wittenberg hat diese turbulente Farce ebenso turbulent in Szene gesetzt, ohne das Spiel mit dem Spiel (toll auch das Pawlatschentheater-Bühnenbild von Florian Parbs) ins rein Lächerliche zu ziehen. Der Terror, die Brutalität und das Grauen sind allgegenwärtig spürbar. Auch dank Martin Zauner, der als Gestapo-Gruppenführer Erhardt zwar einen dummen Duckmäuser mit hoher Lachgarantie gibt, der aber die Bestialität dieses mordenden Biedermanns in Uniform mehr als deutlich macht. Wenn sich dieser Fatzke mit dem Titel "Konzentrationslager-Erhardt" brüstet, ist alles über das Verbrecher-Regime gesagt. Eine grandiose Leistung und Gratwanderung von Zauner. Nicht minder sensationell agiert Gregor Bloéb als eitler, selbstverliebter und entzückend liebesbedürftiger Josef Tura. Ein Schmieren-Hamlet aus dem Bilderbuch, der sich angesichts der politischen Situation in mehreren realen Rollen bewähren muss. Wie Bloéb es schafft, einen minderbegabten Schauspieler großartig gut zu spielen, wie er sich jede Pointe holt, ist schlicht hinreißend.(...)Berührend Gideon Singer als alter Jude Grünberg; köstlich Siegfried Walther als Akteur mit Hang zum Fettnäpfchen und Stefano Bernardin als ungestümer Liebhaber und Held wider Willen. Sie führen ein tolles Ensemble an.
(Kurier)
Regisseur Peter Wittenberg setzt auf gehörig Tempo. Und Florian Parbs liefert mit seinen praktikablen, dennoch ansprechenden Bühnenbildern die notwendige Basis für das turbulente, witzige Spiel mit Sein und Schein. In Windeseile wechseln die Schauplätze, schlagartig ändern sich die Perspektiven.(...)Gregor Bloéb vermag mit jeder Facette von Josef Tura zu überzeugen: als Schauspieler, der die Pose des nachdenklichen Hamlet derart lange auskostet, dass die Souffleuse denkt, sie müsse ihm den Sein-oder-Nichtsein-Satz einsagen; als Ehemann, der mit einiger Berechtigung unglaublich eifersüchtig ist; und als Feigling, der nur in der Not zum gewitzten Helden wird. Der finale Schlagabtausch mit dem "echten" NS-Gruppenführer gelingt geradezu brillant.(...)Gideon Singer vermag das Herz zu rühren: Wenn er als Chargenspieler Grünberg für Humanismus plädiert.
(Der Standard)
Nick Whitbys "Sein oder Nichtsein" nach dem berühmten Film von Ernst Lubitsch begeisterte das Publikum. Gregor Bloéb brilliert als eitler Komödiant. Goldrichtig besetzt ist Singer als Chargen-Darsteller Grünberg. Das Premierenpublikum reagierte geradezu begeistert. Bloéb ist freilich als Komödiant, der ständig nur seine Wirkung im Auge hat, streckenweise hinreißend und sehr komisch, speziell, als er, nach dem Mord an dem Spion, in dessen Rolle schlüpft. Auch als Hamlet hat er herrliche Momente – und bei der Schmiere, die untrennbar zu dieser Geschichte gehört, ist Bloéb einsame Klasse. Goldrichtig besetzt ist Gideon Singer als Chargen-Darsteller Grünberg, der davon träumt, einmal im Leben den Shylock zu spielen. Die berühmten Sätze aus dem Shakespeare-Drama ("Hat ein Jude nicht Sinne, Gefühle, Wünsche?") klangen schon kraftvoller, doch selten gingen sie derart zu Herzen. Wittenberg leitet das große Ensemble versiert von einer köstlichen Miniatur zur anderen.
(Die Presse)
In den Kammerspielen (Regie: Peter Wittenberg) macht Gregor Bloéb dem Schmierendarsteller Josef Tura alle Ehre, doch vor allen anderen glänzt Martin Zauner als "Konzentrationslager-Erhardt". Lustig.
(Falter)
Regisseur Peter Wittenberg setzt auf Tempo und Witz, jagt sein Ensemble durch die schäbigen 40er Jahre (Ausstattung Florian Parbs), setzt voll auf die Typen: Gregor Bloéb als tollpatschiger "erster Schauspieler" Tura (den jedes "Heil-Hitler" erschreckt) hat Spaß an der Sache(...). Voll in Fahrt kommen auch Stefano Bernadin als Geliebter Marias, Siegfried Walther und all die anderen.
(Kronen Zeitung)
Besonders reizvoll ist, wie souverän und sexy Nina Proll die schöne Schauspielerin spielt(...). Diese kluge Frau jongliert mit der Eitelkeit (und der Dummheit) der Männer, dass es nur so eine Freude ist. Ihr Ehemann auf der Bühne und im Leben ist Gregor Bloéb, der Josef Turas Eitelkeit geradezu um sich herum "sprüht"" der ganze Mann ist eine aufgeblasene Pose, ohne dabei die Glaubwürdigkeit der Figur zu verschleudern (ein wenig "Hamlet"-Parodie ist auch dabei, und er genießt sie).(...)Besonders witzig Ljubiša Lupo Grujčić als Chargenspieler Bronski, Spezialität: Auftritte als Hitler. Und absolut berührend, wunderbar, goldrichtig: Gideon Singer als Grünberg, der vom Shylock träumt(...). Zwischen den Fronten des Geschehens: Stefano Bernardin als entsprechend gut aussehender Liebhaber, und auf der Seite der Nazis: Oliver Huether als schmieriger Professor (teilweise auch als dessen Leiche), und Martin Zauner als Gruppenführer Erhardt, einer, den man mit der Erwähnung des Namens "Hitler" in Schach halten kann und der vor Unsicherheit zappelt, um sich in einem lebensgefährlichen System nicht zu verheddern: Zauner liefert eine umwerfende Studie der bösartigen Hysterie… Im übrigen gibt es eine Nebenrolle, die eindrucksvoll ins Auge sticht: Fabian Stromberger spielt einen kleinen Sturmbandführer, der hilflos und wütend zusehen muss, wie sein unberechenbarer Chef einen Blödsinn nach dem anderen macht, mit einer Ernsthaftigkeit, als ginge es hier nicht um eine Satire, sondern um brutale Wirklichkeit.
(Der neue Merker)
Humor und Spiel sind bisweilen das Einzige, das im Angesicht der schieren Gewalt noch bleibt: Das Nazigrauen als Fundament für eine schwungvolle Screwballcomedy - dieses Vabanquespiel ist den Wiener Kammerspielen am Donnerstagabend fulminant gelungen. Basierend auf Ernst Lubitschs Kinoklassiker aus 1942 bezirzte "Sein oder Nichtsein" bei der Premiere die Zuschauer mit schnellem Spielwitz sowie einem sprudelnden Ideenreichtum des Bühnenbildners und der Regie, was ausgiebig bejubelt wurde.(...)Dem Wiener Ensemblen glückt ein humorvolles Spiel, das weitgehend auf dümmlichen Körperslapstick verzichten kann und stattdessen auf präzise Wortwechsel setzt. Herausragend hierbei Gregor Bloéb als leidlich begabter Schauspieler Josef Tura,(...). Auch die Nazi-Witzfigur Erhardt wird von Martin Zauner mit der adäquaten Mischung aus Brutalität und Weinerlichkeit gespielt.
(APA)
Regie
Peter Wittenberg
Bühnenbild und Kostüme
Florian Parbs
Musik
Wolfgang Siuda
Dramaturgie
Franz Huber
Licht
Franz Henmüller
Ton
Dieter Fassl
Josef Tura, Schauspieler
Gregor Bloéb
Maria Tura, Schauspielerin, Frau von Josef
Nina Proll
Stanislaw Sobinsky, polnischer Fliegeroffizier
Stefano Bernardin
Dowasz, Schauspieldirektor
Peter Scholz
Anna, Garderobiere, Souffleuse, gute Seele
Susanna Wiegand
Rowicz, zweiter Schauspieler
Siegfried Walther
Bronski, Chargenspieler
Ljubiša Lupo Grujčić
Grünberg, Chargenspieler
Gideon Singer
Junger Grünberg, Sohn von Grünberg
Simon Jung
Walowski, Staatsdiener der Zensurbehörde
Friedrich Schwardtmann
Professor Silewski, Spion für die Gestapo
Oliver Huether
Gruppenführer Erhardt, Mitglied der Gestapo
Martin Zauner
Sturmführer Schulz, Mitglied der Gestapo
Fabian Stromberger
Englischer Luftwaffenoffizier
Koriun Sarian
SS-Standartenträger
Robert Hager
Lukian Guttenbrunner
Benjamin Vanyek
Dominik Hell-Weltzl