Premiere: 26.01.2017
Colin Higgins
Harold und Maude
Zum 90. Geburtstag von Erni Mangold
ca. 2 Stunden (Pause nach ca. 60 Minuten)
HAROLD: Hast du nie Angst?
MAUDE: Wovor? Vor dem Unbekannten? Auf das bin ich neugierig. Was die Welt braucht sind keine Mauern, sondern Zugbrücken, die man runterlässt.
Harold und Maude erzählt die Geschichte eines introvertierten jungen Mannes aus gutem Hause mit einer etwas morbiden Vorliebe für Friedhöfe und Schrottplätze und einer unkonventionellen, lebensfrohen alten Dame, die in "geliehenen" Autos durch die Stadt rast und weder Respekt vor Besitzverhältnissen hat, noch Wert auf Eigentum legt.
Harolds entnervte Mutter versucht ihren Sohn über eine Agentur mit potentiellen Schwiegertöchtern zu verkuppeln, was aber einen Haken hat: Harold ist ein Meister im kunstvollen Arrangieren von effektvollen Selbstmordversuchen. Auch der zu Hilfe gerufene Psychiater gerät ans Ende seiner kleinen Weisheit.
Vorsichtig entwickelt sich zwischen Harold und Maude eine Beziehung jenseits jeglicher gesellschaftlicher Konventionen. Maude lehrt Harold einen neuen Blick auf die Welt und das Leben. Für ein paar Tage, eigentlich nur einen Wimpernschlag lang, bilden die beiden ein romantisches Paar.
Erni Mangold debütierte am Theater in der Josefstadt bereits 1946 und trat seitdem in rund 60 Rollen am Haus auf, unter anderem in Stücken von Horváth, Molnár, Raimund, Nestroy u.v.a. Im Laufe ihrer Karriere spielte sie an Häusern wie dem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, dem Düsseldorfer Schauspielhaus, der Komödie Berlin und dem Volkstheater Wien. Anlässlich ihres 90. Geburtstages schlüpft die vielseitige Schauspielerin, die auch in Film und Fernsehen große Erfolge feiert, in die Rolle der lebenslustigen Maude.
Mangold hat sich die Maude geradezu einverleibt und der Figur dabei sehr viel Mangold hinzugefügt. Hinreißend, wie sie höchst agil die Schönheit des Lebens beschwört, wie sie dem zu Morbidität und zu inszenierten Selbstmorden neigenden Harold eine Lektion im Da-Sein erteilt. Altersweise und gewitzt, immer auch ein bisschen schnoddrig, vor allem aber mit einem unbändigen Willen zum Freigeist fügt Erni Mangold mit dieser Maude eine weitere bedeutende, berührende Charakterstudie ihrer beeindruckenden Vita hinzu. Eine Unbeugsame eben. Und das ist sehr, sehr gut.
Wie auch Meo Wulf als Harold sehr, sehr gut ist. Der (noch) 24-jährige Hamburger bietet Mangold nämlich nicht nur Paroli, er ist ihr ein Partner auf Augenhöhe. Gemeinsam sorgen die beiden für anrührende, aber niemals rührselige, stets authentische Momente einer großen, tiefen Liebe. Chapeau!
Das übrige Personal assistiert gekonnt. An der Spitze die herrlich wandlungsfähige Silvia Meisterle als Harolds stets zum Verzweifeln verurteilte Dating-Queen sowie Martina Stilp als Harolds am Rande des Nervenzusammenbruchs wandelnde Mutter.
Regisseur Fabian Alder gelingt eine schöne Hommage an eine große Künstlerin.
(KURIER)
Erni Mangold ist eine ideale Besetzung für die Maude, ein bisschen unwürdige Greisin, ein bisschen Hippie, ein bisschen jenseits. Erni Mangolds Maude ist durchaus noch eine kokette Verführerin. Oliver Huether und Silvia Meisterle erfreuen mit Wandlungsfähigkeit, er als Psychiater, eine wahre Studie, Polizist und Pater; sie spielt drei Mädchen von der Datingagentur, am köstlichsten ist Meisterle als Miss Sunshine, die Schauspielerin. Meo Wulf wirkt überzeugend in seinem Ernst.
(Die Presse)
Niemand zuckt und baumelt so schön wie Meo Wulf. Maude ist unkonventionell. Schalk und Glück, Mangolds Gesicht stehen beide gut. Leicht hüpft sie über die Bühne (sparsam: Hans Kudlich), tanzt und singt. Keine klassische Altersrolle und doch eine. Aber die Mangold ist groß und jung genug, um das zu nehmen. Die Mutter von Harold (elegant: Martina Stilp) Partnerinnen (wandlungsfähig: Silvia Meisterle) für den Sohn. An tollen Szenen mangelt es den eineinhalb Stunden (plus Pause) auch sonst nicht. Oliver Huether und Tany Gabriel komplettieren das Ensemble u. a. als im irritierend engen Doppelpack auftretende Kommissare. Sentimental schön.
(Der Standard)
Auf der kleinen Bühne der Kammerspiele tat Regisseur Fabian Alder gut daran, auf die Wirkung von Einzelbildern zu setzen. Das Josefstadt-Ensemble lässt es zu. Meo Wulf (Harold) ist in der Lage, unterschiedliche Spielarten bruchlos aneinanderzureihen. Auf der einen Seite steht Martina Stilp als wie ein Automat funktionierende Mutter, deren Programmierung am Ende entsprechend durcheinanderkommt, auf der anderen Seite wiegt Erni Mangold als Maude das Publikum in absoluter Sicherheit, dass weder Pathos noch Vergleiche mit dem Film aufkommen können.
(Vorarlberger Nachrichten)
Die liebevollsten Momente ihrer Maude gestaltet Mangold derart anrührend, als hätte sie 90 Jahre lang nichts anderes getan, denn ihre Verwundbarkeit, die tiefe Menschenliebe mit sich bringt, durch Schnoddrigkeit zu verbergen. Mangold, die auch an diesem Abend jünger scheint als die meisten im Saal, wird sich nach dieser Produktion von der Bühne verabschieden. Das ist verständlich, aber bedauerlich, weil kaum eine wie sie die Kunst beherrscht, innere Konflikte und den menschlichen Blues so ungekünstelt mit Leib und Seele auszustatten.
(OÖN)
Erni Mangold bewegt sie sich mit mädchenhafter Grandezza. Aus einem Liegestuhl schnellt sie hoch wie ein Sprungteufel. Aus dem großen Gesicht und breiten Mund dringt mit Nachdruck die hohe Kopfstimme. Altersweisheit sieht man ihr nicht an. Doch Überlebenslust, Knusperhexenfeuer, Eigensinn.
Martina Stilp als Harolds Mutter bleibt stilsicher die aufgeblasene Dame. Brillant, doch absurd ihr Abgang in einer wilden Tanzekstase.
(Wiener Zeitung)
Mangold und Wulf erleben eine Liebe ohne Kitsch, mit schönen, stillen Momenten. Martina Stilp gefällt als mondäne Mrs. Chase in ständiger Aufruhr, Silvia Meisterle brilliert als Heiratskandidatin in dreifacher Ausführung, und Oliver Huether in unterschiedlichsten Rollen vom Pater bis zum Polizeiinspektor. Ihnen allen gab Regisseur Fabian Alder mit Hans Kudlich (Bühne) ganz uneitel einen stimmungsvollen Rahmen.
(Kronen Zeitung)
Lakonisch und glaubwürdig wird diese Liebesgeschichte erzählt. Dramaturgin Doris Happl und Regisseur Fabian Alder haben den Text schlüssig modernisiert.
Wie schon in "Die Verdammten" ragt Meo Wulf durch Nuanciertheit und Natürlichkeit aus dem Ensemble heraus. Erni Mangold ist ihm in ihrer drahtigen Fitness und ihrem schrägen Charme die perfekte Partnerin.
Es gelingt der Spagat zwischen Komik und Tragik, vermeintlicher Normalität und abgründiger Verschrobenheit. Ein feine Feier der Seltsamkeiten.
(Falter)
An ihrem 90. Geburtstag machte die großartige Erni Mangold sich und ihrem Publikum ein Geschenk: Sie spielt in den Kammerspielen der Josefstadt "Harold und Maude". So zartbitter, so edelherb wie die Protagonistin ist dieser Theaterabend geworden, den Regisseur Fabian Alder vom erkrankten Michael Schottenberg übernahm.
Mit der ihr eigenen lebensweisen Lakonie spricht Erni Mangold die Sätze der schwarzen Komödie von Colin Higgins, tanzt, singt, turnt, ist alles andere als eine lieblich schrullige Oma. Die Mangold, das ist Sexappeal, dieses gewisse Knistern, frech und frei ist ihre Maude, die Baumretterin und Robben-aus-dem-Zoo-Befreierin, die Autodiebin und Holocaustüberlebende.
Meo Wulf stattet seine Figur mit hoher Sensibilität aus und hält mit dieser Darstellung dem Charisma seines Gegenübers stand.
Martina Stilp gibt Harolds überdrehte Mutter, eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, aber was die Etiquette betrifft immer auf der Höhe. Sie sucht eine potenzielle Schwiegertochter und Silvia Meisterle gestaltet diese mit Bravour. Oliver Huether leistet als Psychiater, Pater und Polizist moralischen Beistand, dies alles im wunderbar wandelbaren Bühnenbild von Hans Kudlich, der zur Mangold als Natursensation eine aus Stoff geschaffen hat: Die kleine Sissi Guse als Robbe Mr. Malloy holt sich am Ende verdient ihren Jubel ab.
(Mottingers Meinung)
Es ist der berührende Abschied einer Theatergröße: Erni Mangold feierte am Donnerstag mit der Premiere des Anarchoklassikers "Harold und Maude" in den Wiener Kammerspielen nicht nur 90. Geburtstag, sondern auch ihre letzte Bühnenrolle.
In ihrem markanten Stakkato ist sie der knorrige, unabhängige Freigeist, der in vielem jünger als ihre Umwelt ist. Dass Neo-Ensemblemitglied Meo Wulf als blondierter Sonderling Harold hier mit dem Charisma seines Gegenübers mithält, kann als große Leistung des 24-jährigen Hamburgers gewertet werden.
Regisseur Fabian Alder, der kurzfristig für den erkrankten Michael Schottenberg eingesprungen war, hält sich bei seiner Arbeit hingegen eher nobel zurück, ermöglicht durch reduziert-naturalistisches Dekor (Hans Kudlich) schnelle Wechsel wie beim Filmschnitt und lässt seinen beiden zentralen Hauptfiguren den Raum, den sie sich verdienen. Das zutiefst Menschliche an sich ist hier das Ziel, jenseits vorgegebener Gesellschaftsrollen und -grenzen.
(APA)
Die aufsässig-liebevolle Maude, die den empfindsamen, von Selbstmordfantasien getriebenen Außenseiter Harold – Meo Wulf ist Erni Mangolds kongenialer Partner – ins Leben schubst, ist für die Kammerschauspielerin eine Glanzrolle.
(Österreich)
Regie
Fabian Alder
Bühnenbild
Hans Kudlich
Kostüme
Erika Navas
Musik
Oliver Roth
Dramaturgie
Doris Happl
Licht
Manfred Grohs
Harold
Meo Wulf
Maude
Erni Mangold
Mrs. Chasen
Martina Stilp
Dr. Mathews/Pater Finnegan/Inspector Bernard
Oliver Huether
Mary/Sylvie/Nancy/Sunshine
Silvia Meisterle
Sergeant Doppler
Tany Gabriel
Mr. Malloy
Sissi Guse
/ Emily Kössler
/ Jonas Ambrosch