Premiere: 14.02.2019
Karl Schönherr
Glaube und Heimat
ca. 2 Stunden, 20 Minuten (Pause nach ca. 80 Minuten)
So lang ich mein Inwendig sauber han, tuet mich kein Reiter brechen und biegen!
Rott
Ein Riss zieht sich durch die Nation: Auf Geheiß des Kaisers müssen alle Protestanten das Reich verlassen – es sei denn, sie schwören dem lutherischen "Irrglauben" ab. Für Christoph Rott und seine Familie beginnt ein Kampf der Seele zwischen Rationalität und Überzeugung: Vorgeblich katholisch, ist es der gewaltsame Tod der protestantischen Nachbarin, der Rott dazu veranlasst, sich zum Protestantismus zu bekennen. Die Konsequenzen auf sich nehmend, macht sich die Familie bereit, die Heimat zu verlassen. Doch die Befehle des Kaisers sind streng und so sieht sich Rott erneut vor eine unmögliche Entscheidung gestellt...
Schönherrs Stück, uraufgeführt 1910, wurde von der Vertreibung der Zillertaler Protestanten im Jahr 1837 angeregt. Durch die Verlegung der Handlung in die Zeit der Gegenreformation zeigt Schönherr anhand des Glaubenskonfliktes exemplarisch, wie "anders" und "falsch" zu Synonymen werden, wenn eine Überzeugung zur Verblendung wird.
"Glaube" und "Heimat" sind zwei das Leben bestimmende Begriffe, die von Natur aus keine Gegensätze bilden. Erst eine bestimmte Konstellation macht sie dazu. Das heißt, um beide Begriffe als Gegensatz anzusehen, lokalisiert Schönherr das Stück in einer ganz bestimmten Zeit und Situation: in einer Zeit, in der Menschen um des Glaubens willen die Heimat aufgeben müssen oder umgekehrt.
Claus Gillmann
Stephanie Mohr entwickelte erhellende Ideen, viele Nuancen und Gedanken zieren Karl Schönherrs "Glaube und Heimat" in der tollen Ausstattung von Miriam Busch und Alfred Mayerhofer. Der angeblich gütige Kaiser verlangt Monokultur zur Absicherung seiner Macht. Schönherrs Bauern könnten dem Protestantismus abschwören, aber das tun sie nicht, sie lassen alles zurück für die Freiheit: Eine ungeheuerliche Tat, von hoher Aktualität. Der reiche Englbauer hält sich in Glaubensfragen zurück und kauft alles auf im Dorf: Nikolaus Barton zeichnet diesen schlauen Geldsack kongenial. Vollends großartig ist Roman Schmelzer als irrer Sandperger. Swintha Gersthofer bezaubert als Spatz und Michael König stellt seine Grandezza souverän in den Dienst des Altbauern. Ein achtbares Ensemble.
(Die Presse)
Raphael von Bargen spielt die Zerrissenheit des Bauern Rott mit einer spannenden Mischung aus Zurückhaltung und Dringlichkeit. Silvia Meisterle ist als leidenschaftlich-verzweifelnde Rottin ein bebender Brennpunkt der Inszenierung. Roman Schmelzer vermittelt die Seelenqual, die der Tod seiner Frau, ihr moralischer Auftrag und seine Angst vor dessen Konsequenzen ihm verursachen, bedrückend.
(Wiener Zeitung)
Das Setting ist beklemmend: Raphael von Bargen zeigt seinen Rott, der sich, vom Gewissen geplagt, schließlich zum verfolgten Glauben bekennt, in größten Seelennöten und verabschiedet sich in einer berührenden Szene von seiner Ehefrau.
(nachtkritik.de)
Raphael von Bargen vermittelt glaubwürdig das Ringen mit sich. Berührend gelangen die Szenen mit "Spatz": Christoph Rott bringt es nicht übers Herz, seinem Sohn, von Swintha Gersthofer großartig als Bilderbuch-Lausbub gezeichnet, die Wahrheit zu sagen.
(KURIER)
Ins Schwarze trifft der Abend mit einer Figur, die Regisseurin Stephanie Mohr hinzuerfunden hat: Kyrre Kvam hat immer wieder Auftritte als unheimlicher Musiker. Halb Clown, halb Gespenst, trommelt und singt er und entlockt einem kleinen Kästchen die schaurigsten Töne. Es sind die stärksten Momente der Aufführung.
(APA)
Raphael von Bargen glaubt man den aufrechten, unbeirrbaren Christenmenschen Christoph Rott in jeder Sekunde, Silvia Meisterle ist als hartleibige und doch herzensgute Rottin so brillant wie nie, Michael König schwankt als moribunder Alt-Rott zwischen Katholizismus und Protestantismus, weil er im Grunde nur wünscht in der Heimaterde und nicht auf dem Schindanger begraben zu werden, Swintha Gersthofer geht als unbändiger Spatz lieber in den Tod, als sich biegen und brechen zu lassen. Dies vor hat Claudius von Stolzmann als Reiter des Kaisers, die in ihrer Ambivalenz wohl beste Rolle, hin und her gerissen zwischen blindwütiger Ausführung seiner Aufgabe und doch so etwas wie Anteilnahme für die Ausgestoßenen. Aus der Vielzahl der Charaktere stechen außerdem hervor: Gerhard Kasal als heimgekehrter Bruder Peter Rott, Roman Schmelzer als Sandperger zu Leithen ganz großartig vom Wahnsinn umzingelt und Nikolaus Barton als gieriger Englbauer in der Au. Elfriede Schüsseleder und Alexandra Krismer gestalten mit der Mutter der Rottin und der Sandpergerin zwei starke Frauenfiguren. Lukas Spisser gibt einen zynischen Gerichtsschreiber, Michael Schönborn den mitfühlenden Schuster.
(Mottingers Meinung)
Eine berührende, stimmige Inszenierung.
(Falter)
(...)Christen vertrieben einander. Und töteten. Kann ein Theaterstück da etwas erklären, erhellen? Nein. Aber darstellen, vorführen. Das kann das literarische Volkstheater, das kann Karl Schönherr. Wenn man ihn so realisiert wie Stephanie Mohr. Gnadenlos genau im Milieu, in der Beharrung auf der notierten Sprache, die kein Dialekt ist, sondern die diesen Menschen mögliche Artikulation, in einer Expression, die fesselt. Dank hervorragender Darstellerleistungen kann man sich nicht mehr entziehen.
(Die Zeit)
Regie
Stephanie Mohr
Bühnenbild
Miriam Busch
Kostüme
Alfred Mayerhofer
Musik
Kyrre Kvam
Dramaturgie
Matthias Asboth
Licht
Manfred Grohs
Christoph Rott, ein Bauer
Raphael von Bargen
Peter Rott, Christophs Bruder
Gerhard Kasal
Alt-Rott, Christophs Vater
Michael König
Rottin, Christophs Weib
Silvia Meisterle
Der Spatz, Christophs Sohn
Swintha Gersthofer
Die Mutter der Rottin
Elfriede Schüsseleder
Sandperger zu Leithen
Roman Schmelzer
Sandpergerin
Alexandra Krismer
Unteregger
Igor Karbus
Englbauer von der Au
Nikolaus Barton
Ein Reiter des Kaisers
Claudius von Stolzmann
Gerichtsschreiber
Lukas Spisser
Bader
Oliver Huether
Schuster
Michael Schönborn
Kesselflick-Wolf
Ljubiša Lupo Grujčić
Straßentrapperl
Susanna Wiegand
Ein Soldat
Jörg Reifmesser
Trommler
Kyrre Kvam