Premiere: 04.05.2017
Henrik Ibsen
Die Wildente
ca. 1 Stunde, 20 Minuten, keine Pause
Machen die Wildenten ja immer
so. Tauchen zum Grund, so tief
sie können - verbeißen sich in
Tang und Algen - in dem ganzen
Mist da unten. Und komme nie
wieder hoch.
Der alte Ekdal
——— Die Welt der Illusionen und der Lüge, die die Familie Ekdal rund um sich aufgebaut hat, wird jäh durch den Wahrheitsfanatiker Gregers Werle gestört, der die Lebenslüge seines Freundes Hjalmar aufdecken will. Für ihn ist Hedvigs Wildente auf dem Dachboden der Ekdals ein Symbol dieser in einer illusionären Welt gefangenen Familie. Daher hält Gregers es für seine Pflicht, dieses Lügengebäude zum Einsturz zu bringen.
Henrik Ibsens Die Wildente ist die erste Inszenierung der slowenischen Regisseurin Mateja Koleznik am Theater in der Josefstadt.
Regisseurin Mateja Koležnik hat aus Ibsens sorgfältiger Verhandlung von Moral und deren unmöglicher Nutzanwendung einen formidablen Treppenwitz gemacht. Unermüdlich jagen die Schauspieler die steile Stiege hinauf und hinunter. Hedwig (Maresi Riegner) nutzt das Stiegenhaus als Horchposten. Das zweite Glutzentrum der Aufführung, Gina Ekdal (Gerti Drassl), kompensiert das Unglück ihrer Ehe mit ausgiebigen Waschungen des Treppensturzes. Kolezniks Konzept funktioniert über die Maßen prächtig.
Eine unerhörte Aufführung, deren Radikalität dem Josefstädter Hause wohl tut.
(Der Standard)
Koležniks Inszenierung schafft ein Höchstmaß an Beklemmung, indem sie auf engem Raum die Personen präzise führt.
Gespielt wird hervorragend: Maresi Riegners Darstellung der jungen Hedvig verdient das Attribut sensationell. Sie ist ebenso das naive Kind, wie der altkluge Teenager, bewegt sich tänzelnd, spielerisch treppauf – treppab. Die Treppen schrubbende Gerti Drassl ist die Achse der Aufführung. Roman Schmelzers Darstellung des Hjalmar Ekdal ist ein Kammerstück. Raphael von Bargen zeigt den nach Wahrheit strebenden Gregers wie eine Kunstfigur. Siegfried Walther berührt als Großvater. Michael König ergänzt als Ekdal. Susa Meyer, Peter Scholz und Alexander Absenger ergänzen ideal.
Die Radikalität dieser Aufführung ist ein fulminantes Plädoyer für echtes Schauspielertheater und die "Josefstadt".
(NEWS)
Applaudieren erscheint einem nach diesen pausenlosen 80 Minuten als verkehrte Reaktion. Lieber noch in aller Stille sitzen bleiben, die Intensität der nüchternen Inszenierungsschönheit in sich ausbreiten lassen und den lodernden Schmerz von Gina Ekdal, deren Tochter sich erschossen hat, nicht stören. Dennoch gehört geklatscht, den Schauspielern allesamt und zuvorderst der slowenischen Regisseurin Mateja Koležnik, die mit ihrem Wien-Debüt am Donnerstag im Theater in der Josefstadt "Die Wildente" von Henrik Ibsen zu einem der anrührendsten Bühnenereignisse dieser Saison gestaltet hat.
Der Querschnitt eines von links unten aufsteigenden grauen Stiegenhauses ist die schiefe Ebene (Bühne: Raimund Orfeo Voigt), auf der die Ekdals Schritt für Schritt aus dem Gleichgewicht kommen. Koležnik lässt auf diesen Treppen das Tempo famos variieren – Moral und Verrat wälzen, rennen, schreiten rauf und runter.
Der Abend gehört der famosen Maresi Riegner als horchende, herrlich mädchenhafte Hedvig – und Gerti Drassl, die das Geheimnis der Gina behutsam balanciert, bis es sie am Ende zerreißt.
(OÖN)
Um die Familiengeschichte als beklemmendes Sozial- und Psychodrama nachzuerzählen, reichen der slowenischen Regisseurin Mateja Koležnik und dem fulminanten Ensemble knapp 80 Minuten.
Gerti Drassl verkörpert eine ihrem Schicksal ausgelieferte Kleinbürgerin, die alles hinunterschluckt und nur zu hastig herausgequälten Sätzen fähig ist, mit einer atemberaubenden Präsenz. Maresi Riegner imponiert als gerade noch nicht pubertierendes, sich gerade noch natürlich bewegendes Mädchen. Ihre Hedvig hört am liebsten den gebrochenen Tönen aus dem Transistorradio zu. Bittere Erkenntnis: Das Leben ist kein Wunschkonzert.
(KURIER)
Koležnik fokussiert in ihrer Sparversion auf Mutter und Tochter. Riegner beeindruckt als Teenager, der die Grausamkeit im Auf und Ab der Erwachsenenwelt wahrhaftig erfährt. Sie drückt sich an die Wand, horcht, beobachtet, hütet wie einen Schatz ein Kofferradio, das meist nur Rauschen hervorbringt, versucht zu tanzen. Und Drassl schrubbt. Allein dabei zeigt sie, dass sie das Zeug zur großen Tragödin hat. Am Schluss, als es Ibsen so richtig krachen lässt, schluchzt sie wie eine putzsüchtige norwegische Medea über ein totes Kind. Das ist großes Kino auf kleinem Raum.
(Die Presse)
Mit Elan und Tatkraft und dann wieder verzweifelt lässt Mateja Koležnik das Josefstadt-Ensemble Stufen steigen und legt damit eine überzeugende, tiefgreifende Inszenierung vor.
Die Josefstadt hat mit dieser Inszenierung eine herausragende Produktion im Spielplan.
(Die Furche)
Selbst mit einem dicken Zynismuspanzer ausgestattete Theaterkritiker können es manchmal nicht so recht fassen, warum ihnen eine Produktion dermaßen gut gefällt, dass sie kein Wort des Widerspruchs oder einen Einwand zu Papier bringen können.
Die bedeutende slowenische Theatermacherin und Ibsen-Expertin Mateja Koležnik wurde von Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger zu einem Wien-Debüt eingeladen, das sich derart fulminant gestaltet hat, dass Karten für die Aufführungsserie Mangelware werden könnten.
Ein grandioses Ensemble macht in einem ebensolchen Bühnenbild "Die Wildente" zum Theatererlebnis.
(Kleine Zeitung)
Der Regisseurin Mateja Koležnik gelingt in pausenlosen 80 Minuten eine hoch konzentrierte, dichte und beklemmende Aufführung. Die Ereignisse sind auf ein schmales Treppensegment im Hause Ekdal konzentriert. Das schafft eine klaustrophobische, hektische, albtraumhafte Atmosphäre, in der das exzellent geführte Ensemble zu stärkster Wirkung gelangt.
Im Zentrum der Ereignisse steht die wunderbare junge Schauspielerin Maresi Riegner, die mit selbstentäußernder Intensität das Porträt pubertärer Verletzlichkeit zeichnet.
(Kronen Zeitung)
Regisseurin Mateja Koležnik, eine der wesentlichen Spielmacherinnen des slowenischen Theaters und ausgewiesene Ibsen-Expertin, gab ihr Wien-Debüt – und überzeugte auf ganzer Linie. Sie hat Ibsen schlank und schlicht gemacht, und birgt in dieser Schlichtheit große Schönheit.
Maresi Riegner, diese blutjunge Film- und Theaterentdeckung, ist eine formidable Hedvig, sehr naiv, sehr Mädchen, ein von den unerwarteten Umständen erschrecktes Kind, das sich zum Wohle der Eltern opfert. Gerti Drassl und Roman Schmelzer brillieren als Hjalmar und Gina Ekdal, Raphael von Bargen ist eine Idealbesetzung, Michael König ein Paradebeispiel für Ibsens misstrauischen, schweigsamen und hartleibigen Menschenschalg und Peter Scholz als abgeklärt-zynischer Dr. Relling. Siegfried Walther ist ein wunderbarer alter Ekdal, mittelschwer senil und mit einem Dachbodenparadies auf Erden. Susa Meyer hat einen präganten Kurzauftritt als Frau Sørby, ebenso Alexander Absenger als Molvik.
"Die Wildente" an der Josefstadt ist eine hochkonzentrierte, atmosphärisch dichte und beklemmende Aufführung.
(Mottingers Meinung)
Großartiger Ibsen-Abend im Tragödienschnelldurchlauf. Durch das strenge räumliche Korsett überträgt sich die Verzweiflung der Figuren physisch aufs Publikum. Man möchte hinaufstürmen und alle befreien. Bester Josefstadt-Abend seit langem.
(Falter)
Die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik hat die "Wildente" auf 80 Minuten eingedampft. Was bleibt, ist jedoch kein gerupfter Vogel, sondern ein auf den Kern fokussiertes Kondensat. Ein Treppenhaus dient als klaustrophobischer Bühnenraum, als Einheitsspielfläche für alle Charaktere, die dadurch letztlich ihrer Schichtzugehörigkeit verlustig gehen. Es geht weniger um die bei Ibsen immanente Klassenfrage als um die Lebenstäuschungen des Einzelnen. Alle sind in dieser Lebensleiter beständig in Bewegung, ohne je anzukommen.
Koleznik verschiebt bei ihrem Wien-Debüt den Fokus radikal auf die feministische Perspektive und fokussiert das Stück wie ein Brennglas ganz auf die Figur der Gina. Sie ist die Figur, welche die Beziehungen und Konstellationen letztlich als einzige versteht und die Lebenslügen damit bewusst annimmt. Nicht zuletzt verdankt sich diese Fokusverschiebung der grandiosen Leistung von Gerti Drassl, die ihre Rolle der überspannten Mutter und Gattin nicht interpretiert, sondern lebt. Am Ende überwältigt sie der Schmerz über den Freitod ihres Kindes im selten wuchtigen Schlussbild - ein berührender Zusammenbruch, der nicht nur der Schauspielerin noch lange nach dem Fall des Vorhangs sichtlich nachhing.
(APA)
Regie
Mateja Koležnik
Bühnenbild
Raimund Orfeo Voigt
Kostüme
Alan Hranitelj
Musik
Michael Gumpinger
Dramaturgie
Ulrike Zemme
Licht
Emmerich Steigberger
Choreographie
Matija Ferlin
Großhändler Hakon Werle
Michael König
Gregers Werle, sein Sohn
Raphael von Bargen
Der alte Ekdal
Siegfried Walther
Hjalmar Ekdal, sein Sohn, Fotograf
Roman Schmelzer
Gina Ekdal, Hjalmars Frau
Gerti Drassl
Hedvig, beider Tochter
Maresi Riegner
Frau Sörby, Werles Haushälterin
Susa Meyer
Relling, Arzt
Peter Scholz
Molvik, ehemaliger Theologe
Alexander Absenger