Premiere: 05.09.2019
Heimito von Doderer
Die Strudlhofstiege
Uraufführung
ca. 2 Stunden, 30 Minuten (Pause nach ca. 90 Minuten)
Bühnenbearbeitung von Nicolaus Hagg
Auf die Strudlhofstiege zu Wien
Wenn die Blätter auf den Stufen liegen herbstlich atmet aus den alten Stiegen was vor Zeiten über sie gegangen. Mond darin sich zweie dicht umfangen hielten, leichte Schuh und schwere Tritte, die bemooste Vase in der Mitte überdauert Jahre zwischen Kriegen.
Viel ist hingesunken uns zur Trauer und das Schöne zeigt die kleinste Dauer.
Heimito von Doderer
Wohin geht eine Welt, wenn sie untergeht? Wohin weicht ihr Urgrund? Oder härtet er vielleicht aus in den Menschen, die den Untergang durchleben?
Die Strudlhofstiege gehört zu den berühmtesten ungelesenen Büchern der Weltliteratur. Schade. Denn sie ist ein wahrhaftiges, ein großes Stück Weltliteratur. Sie ist ein Stück österreichischer Geschichte und zutiefst österreichischer Geschichten. Sie entführt uns in die Tiefe der Jahre, die mehr ist als nur die Vergangenheit. Diese Tiefe hat immer etwas von einem Abgrund, einem Schlund, der uns, die Leser, abstürzen lässt oder hineinzieht. Dieser Abgrund ist der Erste Weltkrieg, an dessen Kippe wir zu Beginn des Romans stehen und an dessen republikanischen Auswirkungen – den Abgrund quasi überspringend – wir uns im zweiten Teil des Romans befinden. Aber nur der Leser springt leichtfüßig. Der nachgeborene Leser. Doderers Strudlhofstiege handelt von jungen Menschen, die um eine Gegenwart ringen. Überlebende, die nicht wissen, dass ihr Überleben – zwangsläufig – in den nächsten Abgrund führt.
Die Strudlhofstiege im 9. Wiener Bezirk ist mehr als nur der Mittelpunkt dieses Jahrhundertromans. Sie pirouettiert sich vom Vorher, vom scheinbar längst Vergangenen, in eine ungewisse, feindliche Gegenwart. Vielleicht ist sie ein Symbol: Sie wurde gebaut, um die "G’stetten" zu überwinden, die dort 1910 noch "geblüht" hat. Vielleicht wurde der Roman geschrieben, um die G’stetten zu überschreiben, die dieser Krieg in den Köpfen und Herzen der Menschen hinterlassen hat, die Heimito von Doderer in größter autobiografischer Selbstentäußerung in diesem Roman schildert.
Nicolaus Hagg
Das Ensemble – stellvertretend seien hier Silvia Meisterle als Editha/Mimi Pastré, Pauline Knof als Etelka oder Matthias Franz Stein als Konsul Grauermann genannt – spielt wirklich ausgezeichnet. Der Abend hat seine Stärken im Atmosphärischen.
(KURIER)
Janusz Kica, Direktor Föttingers Mann fürs klassisch Edle, hat inszeniert. Roman Schmelzer beeindruckt als Major Laska. Swintha Gersthofer ist wunderbar als vom Leben enttäuschte Asta, die Schwester Renés, den Martin Vischer auch sprachlich facettenreich gestaltet. Michael König spielt den Patriarchen mit Grandezza. Dominic Oley ist köstlich als Rittmeister Eulenfeld. Silvia Meisterle gefällt als Kokette. Sehenswert!
(Die Presse)
Was Nicolaus Hagg bei der Beschäftigung mit der "Strudlhofstiege" gelungen ist, ist die Verdichtung der Verdichtung. Er macht aus der Vielzahl der raffiniert ineinander verflochtenen, von Zeitsprüngen durchbrochenen, oftmals schwer zu überblickenden Erzählsträngen ein konzentriertes Kammerspiel mit etwa einem Dutzend Charakteren, Miniaturen, die er bis ins Detail ausgearbeitet hat.
In der wie stets sensiblen, zartfingrigen Regie von Janusz Kica gestaltet Ulrich Reinthaller einen Melzer in Stasis. Alles an diesem Mann ist erstarrt, versteinert, reglos geworden. Zum Zwiegespräch stellt ihm Hagg den gewesenen Major Laska zur Seite, Roman Schmelzer als im Ersten Weltkrieg gefallener Freund, der Figuren wie Publikum als (guter) Geist durch die Handlung begleitet und Erinnerungen auffrischt. René von Stangeler, Doderers Alter Ego, den Hausneuzugang Martin Vischer mit einer Fahrigkeit, fast Verwirrtheit ausstattet, die sein Ende schon vorwegnimmt. Seinen ihn beständig demütigenden Vater, Oberbaurat von Stangeler, gibt Michael König mit der ganzen Dominanz eines Patriarchen. Als Etelka von Stangeler lechzt Pauline Knof gekonnt nach Freiheit und Freizügigkeit, bleibt dabei aber so gutbürgerlich, dass man ihr die Schwesternschaft zu Swintha Gersthofers Asta deutlich ansieht. Igor Kabus versucht als Etelkas Geliebter, Robby Fraunholzer mit deren Eskapaden mitzuhalten. Matthias Franz Stein trägt als Etelkas Ehemann, Konsul Grauermann, sein Schicksal mit Würde und ab und an trockenem Humor. Alma Hasun ist eine sympathisch zupackende Paula Pichler, Marlene Hauser eine zu Herzen gehende Thea. Bleibt das Dreigestirn der Leicht- und Schnelllebigkeit, und damit die drei herausragenden Leistungen dieser Aufführung: Silvia Meisterle, die es meisterhaft versteht, den "Duplizitätsgören", der "bösen" Editha und der "braven" Mimi Pastré Kontur zu verleihen, und Dominic Oley und Alexander von Absenger, die mehr oder minder schlitzohrige Salonlöwen Rittmeister von Eulenfeld und Teddy von Honnegger. Die sinistren sind eben die dankbarsten Rollen und ihnen hat Hagg die besten von Doderers distanziert-ironischen Sätzen mundgerecht aufbereitet, vieles klingt da wie für diese Tage geschrieben, Seitenhiebe auf Politik und Wirtschaftsinteressen, in geschliffener Sprache und voll Wortwitz.
Derart wird "Die Strudlhofstiege" in der belesenen Bearbeitung von Nicolaus Hagg und der behutsamen Inszenierung von Janusz Kica zur Österreich-Elegie, zur Antenne für eine Tanz-auf-dem-Vulkan-Stimmung, die schon wieder um sich greift. Mit ihrer Saisonauftakt-Premiere beweist die Josefstadt jedenfalls, dass sie gewillt ist, ihr striktes Eintreten für Humanismus und Empathie mit dem Programm 2019/20 fortzusetzen.
(Mottingers Meinung)
Die Josefstadt verdichtet den labyrinthisch verästelten Kosmos des Romans zu einem finsteren Kammerspiel mit starken Schauspielern, eindrucksvoll. Der Bearbeiter Nikolaus Hagg konzentriert das Geschehen auf zwei Protagonisten: Melzer (deprimiert: Ulrich Reinthaller) und René von Stangeler (überragend: Martin Vischer). Regisseur Janusz Kica stellt allerhand Sehenswertes auf die schwarze, leere Bühne: Melzer ruft als traumatisierter Überlebender diesfalls zweier Weltkriege die Bilder der Toten auf. Unter ihnen beeindrucken am stärksten Pauline Knof, Michael König und Matthias Franz Stein.
(Kronen Zeitung)
Regie
Janusz Kica
Bühnenbild und Kostüme
Karin Fritz
Musik
Matthias Jakisic
Dramaturgie
Barbara Nowotny
Dramaturgie
Matthias Asboth
Licht
Manfred Grohs
Major Melzer, Amtsrat in der österreichischen Tabakregie
Ulrich Reinthaller
Major Laska
Roman Schmelzer
Etelka von Stangeler
Pauline Knof
Asta von Stangeler
Swintha Gersthofer
René von Stangeler
Martin Vischer
Oberbaurat von Stangeler
Michael König
Rittmeister von Eulenfeld
Dominic Oley
Paula Pichler
Alma Hasun
Editha/Mimi Pastré
Silvia Meisterle
Konsul Grauermann, Ehemann Etelkas
Matthias Franz Stein
Generalkonsul Fraunholzer, Etelkas Geliebter
Igor Karbus
Thea Rokitzer, Geliebte des Rittmeisters von Eulenfeld
Marlene Hauser
Teddy von Honnegger
Alexander Absenger