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Theater in der Josefstadt
Premiere: 25.02.2010

Franzobel

Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes

Uraufführung

Hans Moser, dieser Wiener Charlie Chaplin, Volksschauspieler schlechthin, brachte wie kein anderer den typischen Österreicher zum Ausdruck. Mit seiner kauzigen Art, seinem watschelnden Gang, seinem G’schau und dem berühmten Nuscheln verkörperte er den hierzulande gängigen Eigensinn, die unbestechliche Souveränität des kleinen Mannes. Für mich ist Hans Moser, diese große Kunstfigur des Raunzens, aber auch ein Wiener Bruder Gustaf Gründgens´, ein Mephisto. Die Nazizeit brachte ihn, den Unpolitischen, steil nach oben. Er wurde bestverdienender Schauspieler, musste aber damit fertig werden, dass seine geliebte jüdische Frau nach Budapest und seine Tochter nach Buenos Aires flüchten mussten. Er hatte enormen Erfolg, wurde von den Massen geliebt, verkörperte das minimal widerständige Österreich und war doch einsam und unglücklich.

Ich sehe in Hans Moser eine große Kulminationsfigur des 20. Jahrhunderts. An ihm lassen sich Hoffnungen und Ängste, Couragiertheit und Durchlavieren zeigen, Macht und Ohnmacht des Einzelnen in den Mühlen der Geschichte. So wie er die kleinen Spielräume seiner festgeschriebenen Rollen nützte, extemp- orierte, ist er noch immer Sinnbild für die Freiheit auf österreichisch.
Franzobel

Hans Moser 6.8.1880 - 19.6.1964
Einer der wohl populärsten österreichischen Schauspieler debütierte bereits 1902 unter der Direktion von Josef Jarno am Theater in der Josefstadt. Er blieb jedoch nur fünf Jahre, um schließlich 1925 unter Max Reinhardt zurückzukommen. Nun gehörte er bis 1939 dem Ensemble an und spielte Rollen wie den Major Paul Petkoff in Shaws Helden, den Melchior in Nestroys Einen Jux will er sich machen, den Probstein in Shakespeares Wie es euch gefällt und den Fortunatus Wurzel in Raimunds Der Bauer als Millionär. Nach zwei weiteren Auftritten 1952 und 1953 kehrte er 1961 nochmals ans Theater in der Josefstadt zurück, als Flickschuster Pfrim in Nestroys Höllenangst.

Franzobel, geboren 1967 in Vöcklabruck, studierte von 1986 bis 1994 Germanistik und Geschichte in Wien. Während seines Studiums war er als Komparse am Wiener Burgtheater tätig und beschäftigte sich bis 1992 intensiv mit Malerei und Concept Art. Heute arbeitet Franzobel als freischaffender Schriftsteller, und seine literarische Bandbreite ist enorm: Er schreibt Romane, Gedichte, Theaterstücke, Hörspiele und Kinderbücher. Für seine Erwachsenenbücher erhielt Franzobel zahlreiche Preise und Auszeichnungen.
"Franzobels Welt ist verschroben aktuell, zeitgeschichtlich auf dem neuesten Stand und massenpsychologisch vielleicht sogar noch weiter. In deutschen Feuilletons schmückt man ihn mit den Beinamen Worterfindungsmeister, barocker Geschichtenerdenker und Menschenkenner. Fußballmetaphorisch ist der regelmäßig in Argentinien weilende Schriftsteller eindeutig der Goleador der österreichischen Gegenwartsliteratur. Franzobel kreiert einen Erzählstil, der vor skurriler Metaphorik und semantischen Finessen, vor Neologismen und Klangmalereien nur so sprüht und funkelt. Vorsicht: Suchtgefahr!"
(Die Zeit)

Hier wird weder einem Denkmal ans Standbein gepinkelt noch wird es vom Sockel gestürzt. Franzobel hat ein beinah liebenswürdiges Trash-Drama verfasst, das mit Kalauern ("Wein ins Reich" gehört zu den besseren) und Klischees jongliert, um diese dann, wohl ohne Absicht, zu bestätigen. Moser kommt im Doppelpack - als junger (Florian Teichtmeister) und als alter (Erwin Steinhauer) - in den Nazi-Himmel. Auch der hängt voller Geigen. Theaterdirektor des himmlischen Heurigenetablissements ist kein Geringerer als Adolf Hitler. Hubsi Kramar, Provokateur vom Dienst, verleiht ihm sein bereits anno 2000 beim Wiener Opernball bewährtes, einst polizeilich behindertes Karikaturenformat. Obendrein treten Moser-Imitatoren sowie Sandra Cervik als Blanca Moser auf, die mit ihrem Charme den Gröfaz beeindruckt.
Das Moser-Duo hat sich übrigens wegen Mangels an nationalsozialistischem Engagement zu rechtfertigen, damit es auch im Jenseits engagiert wird. Dies alles wirkt recht nett und erreicht zuweilen trotz der Regiebemühungen von Peter Wittenberg das Niveau der nach unten offenen Qualitätsskala des Villacher Faschings. Und weil des Witzes Würze Kürze ist, zieht sich die halblustige Sache - das Mosern ist Franzobels Lust, das Mosern - bis zur abschließenden Apotheose gewaltig. Zärtliche Satire ist leider ein Widerspruch in sich.
(Die Welt)

Mit allen Elementen einer Farce zieht das Stück bunt und trashig vorüber, es gibt Moser-Doppelgänger (da tun sich Martin Zauner und Alexander Pschill hervor), Sandra Cervik ist eine resolute Blanca, die sogar Hitler weich kriegt. Regisseur Peter Wittenberg zerblödelt mit Gags auch denkbare tragische Momente, Hubsi Kramar als hölzerne Hitlerkarikatur kommt nicht über die Eindimensionalität hinaus. Roland Neuwirth und die Extremschrammeln liefern als Engelskapelle den wienerischen Sound.
Franzobel liebt das Wortspiel und nicht sonderlich neue Kalauer, was durchaus unterhaltsam sein kann. Der tiefere Sinn oder gar eine an- und aufregende Auseinandersetzung mit Macht und Mitläufertum bleiben aus.
(Salzburger Nachrichten)

Überraschenderweise ist im Himmel der Himmelsvater Hitler, nicht ganz unsympathisch, sein Antisemitismus ist ihm etwas peinlich und er macht auch der jüdischen Gattin Mosers, als sie ebenfalls im Himmel auftaucht, gleich den Hof. Das 1000-jährige Reich ist in den Himmel umgezogen. Moser soll Hitler nun zeigen, dass er arisch spielen kann. Franzobels Theaterstück ist somit ein Wettkampf der Imitatoren, den Hans-Moser-Imitatoren (Erwin Steinhauer und Florian Teichmeister) steht in der Josefstadt der bekannte Hitler-Imitator Hubsi Kramer, Kramer übrigens auch ein Feindbild der FPÖ, gegenüber.
Dass man den Nationalsozialismus als Trash-Komödie vorführen kann, stört nicht, doch trotz der grellen Einfälle bleibt die Aufführung bieder. An Taboris Stück "Mein Kampf" reicht Franzobel nicht heran, auch wenn er wie Tabori den verkrachten Künstler Hitler vorführt, auch nicht an die abgründigen Wortvehedderungen Elfriede Jelineks, die in "Burgtheater" und "Macht nix" viel unheimlicher die Rolle der "Volksschauspieler" im Nationalsozialismus zum Thema zu machen wusste. Nicht einmal die meist sehr destruktive Boshaftigkeit Mosers in seinen scheinbar harmlosen Heimatfilmen wird sichtbar.
Regisseur Peter Wittenberg macht das Beste daraus, er lässt einfallsreich "das Theater im Himmelstheater" in einem riesengroßen Radio "Volksempfänger" (Bühne: Florian Parbs) spielen, der Vorhang ist die Lautsprecherwand. Möglicherweise entfaltet Franzobels Stück außerhalb Wiens mehr Schärfe; in Wien wurde es eher als nettes Kabarett aufgenommen. Und der Verweis auf die österreichische Mehrdeutigkeit - Widerstand und gleichzeitig Mitläufertum - wirkte in Österreich nämlich dann doch ein wenig kokett.
(Deutschlandradio) 

Regie
Peter Wittenberg

Bühnenbild und Kostüme
Florian Parbs

Musik
Roland Josef Leopold Neuwirth

Dramaturgie
Ulrike Zemme

Licht
Manfred Grohs

Regieassistenz
Stephan Pfister

Ton
Michael Huemer

Ton
Karl Szalay

Ton
Jakob Schell

Alter Moser
Erwin Steinhauer

Junger Moser, sein unangenehmes Alter Ego
Florian Teichtmeister

Blanca Moser, seine Frau
Sandra Cervik

Paul, Schauspieler
Martin Zauner

Theaterdirektor/Hitler/Maskenbildner
Hubsi Kramar

Wackel, Spitzel, Hitlers Adjutant
Alexander Pschill

Moser-Imitatoren
Sandra Cervik
Alexander Pschill
Martin Zauner

Kontragitarre
Roland Neuwirth

Erste Violine
Manfred Kammerhofer

Zweite Violine
Igmar Jenner

Knopfharmonika
Marko Zivadinovi´c

Gesang
Doris Windhager

Live-Elektronik
Stephan Sperlich

Live-Elektronik
Anna Steiden