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Theater in der Josefstadt
Premiere: 07.03.2024

Thomas Arzt

Leben und Sterben in Wien

Uraufführung

ca. 2 Stunden, 35 Minuten (Pause nach ca. 60 Minuten)

Um’s Eck hinterm Rathaus
Das Pflaster voll Blut.
Und drin in dem Blut
Die Arbeiterwut.
Es ritt dort hinterm Rathaus
Die Staatspolizei.
Sie ritten mit Waffen
Und mit Kugeln aus Blei.
Und es schoss hinterm Rathaus
Die Staatspolizei
Auf die flüchtende Horde.
Wir zählen eure Morde.

In seinem Auftragswerk für das Theater in der Josefstadt entwirft der Dramatiker Thomas Arzt ein gleichermaßen blutiges wie poetisches Bild der österreichischen Zwischenkriegszeit.

Im Zentrum des Stückes steht Fanni: eine junge Magd, deren katholisch-ländlich geprägtes Leben durch die Begegnung mit der rätselhaften Sara eine Wende nimmt. Begeistert von deren sozialistischen Ideen begibt sich Fanni in die Hauptstadt, das Rote Wien, erlebt die Errungenschaften der Arbeiterbewegung und wird zugleich Zeugin, wie die Schattendorfer Urteile das Ende der Ersten Republik einläuten.

Eindringlich erzählt Thomas Arzt in "Leben und Sterben in Wien" von der Radikalisierung einer Gesellschaft, dem Zerbrechen jeglicher Solidarität und vom sprachlichen Nährboden des Totalitären. Über ein Dutzend Figuren ruft er dafür auf den Plan, lässt sie in Liedern aus der Handlung heraustreten und spinnt dennoch ein feinteiliges Netz rund um die "völlig frei erfundene" Geschichte einer Frau, die sich von ihren Wurzeln emanzipiert.

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass es in der Vorstellung mehrfach zu akustischen Knalleffekten* kommt.
(* Unser Tipp: Wenn Sie eine Pistole sehen, halten Sie sich die Ohren zu!)

Der Dramatiker Thomas Arzt präsentiert ein Gesellschaftspanorama im Vorfeld der austrofaschistischen Diktatur. Theaterdirektor Herbert Föttinger bringt den Stoff mit großem Ensemble im Theater in der Josefstadt zur Uraufführung. Eine Geschichtsstunde, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Hauptfigur ist die Magd Fanni, von Katharina Klar ohne Ironie, dafür mit viel Empathie als Unschuld vom Lande porträtiert, die eine große, verwirrende Liebesaffäre mit ihrer mysteriösen Kollegin Sara erlebt (Johanna Mahaffy). Das Herzstück von Herbert Föttingers Inszenierung ist ein so genannter Bewegungschor: zahlreiche Damen und Herren, die mal ländliche Tänze tanzen, mal als Trauergesellschaft oder die "Arbeiter von Wien" gekleidet aufmarschieren, singen, beten, sich prügeln und schnell eine kesse Revue aufführen (Hitler und Mussolini in Glitzer). Der Chor selbst erfüllt seine vielfältigen Aufgaben vorbildlich. Und wie das so ist bei einem guten Melodram: Man kann sich seiner Wirkung nicht entziehen. Das Schicksal von Fanni, das sie vom unpolitischen Landei zur Antifaschistin macht, geht nahe.
(nachtkritik.de)

Regisseur und Hausherr Herbert Föttinger hat mit Hilfe der exzellenten Live-Musik von Matthias Jakisic einen recht wirkungsvollen Musiktheater-Abend geschaffen.Vieles erinnert an Brecht/Weill, einiges an Jura Soyfer, wobei Arzt auch nicht vor modernem Jargon zurückschreckt.
Im engagierten Ensemble stechen vor allem Frauenrollen hervor. Katharina Klar spielt die Hauptrolle der Fanni sehr glaubhaft und umschifft gekonnt überall lauernde Klischees. Ebenso schnörkellos agieren Johanna Mahaffy als ihre Geliebte und Schutzbündlerin und Ulli Maier als Gräfin. Selbst Fannis Kind (Clara Bruckmann) ist überzeugend. Als böse Dorfalte und brutale Apologetin der Gewalt glänzt Lore Stefanek auf der dunklen Seite der Macht.
(wienlive)

Was für ein Stück das ist! Eigentlich an der Grenze zum Agitprop, mit Kampfliedern und Gut-Böse-Gestalten, ist das doch ein virtuoser Text mit wunderbaren Rollen. Ein politisches Volksstück, das die Linie von Nestroy über Anzengruber und Horvath, Brecht und den Kontrahenten Schönherr, Friedrich Wolf und Jura Soyfer bis zu Turrini zieht. Direktor Herbert Föttinger und das Bühnenbildkollektiv "Die Schichtarbeiter" haben dazu eine finstere Egger-Lienz-Ästhetik entworfen. Die Leitkultur pervertierter Heimatbegriffe wütet da.
Gespielt und gesungen (auch vom Bewegungschor) wird großartig. "Leben und Sterben in Wien" ist vor allem ein Stück der Frauen: Sie erleiden, was die Politik ausgeheckt hat. Katharina Klar und Johanna Mahaffy leuchten im Zentrum der Ereignisse. Lore Stefanek, Ulli Maier und Alma Hasun formieren mit Günter Franzmeier, Joseph Lorenz, Thomas Frank, Jakob Eisenwenger, Robert Joseph Bartl, Alexander Absenger, Nils Arztmann, dem Musiker Matthias Jakisic und einem aufgeweckten Kind ein Luxusensemble.
(Kronen Zeitung)

Thomas Arzt verpackt in "Leben und Sterben in Wien" - von Direktor Herbert Föttinger kongenial umgesetzt – große Geschichte in kleine Ereignisse. Ohne Zwischentöne, in Schwarz-Weiß und mit sehr viel sozialistischem Herzblut. Da wehen die roten Fahnen! Da werden Freiheit und Demokratie besungen! Da skandiert der Chor! Große Oper im starren Bühnenbild-Schlachtfeld (von "Die Schichtarbeiter").
(KURIER)

Ein Glücksfall, der dem Theater in der Josefstadt gelungen ist. Thomas Arzt hat mit "Leben und Sterben in Wien" ein bemerkenswert lebendiges Historiendrama geschrieben. Regisseur Direktor Herbert Föttinger bietet mit seinem gut abgestimmten Ensemble eine tolle, bewegende Show. Und Katharina Klar brilliert in der Hauptrolle der auf dem Lande geschundenen Magd Fanni, die sich dann in der Stadt zu emanzipieren weiß. Sie darf die größte Wandlungsfähigkeit zeigen. Mit heiligem Ernst spielt sie die Erniedrigte, mit großer innerer Kraft die wehrhafte Emanzipierte, mit Zärtlichkeit die lesbische Beziehung zu Sara (Johanna Mahaffy).
(Die Presse)

Im Mittelpunkt steht die Magd Fanni (Feingefühl und Zähigkeit verbindend: Katharina Klar), die sich zwischen den Fronten der aufgebrachten politischen Lager, zwischen Stadt und Land und eingekerkert ins Patriarchat einen Lebensausweg zu erkämpfen sucht. Ihre Emanzipation mitanzusehen ist deprimierend. Auf der Bühne des Theaters in der Josefstadt treffen Heimwehr- und Schutzbund-Milizen aufeinander. Diese formieren sich dank eines 20-köpfigen Bewegungschors (Passantinnen und Passanten) auch immer wieder zu rhythmusstarken Kampfliedern – komponiert und live gespielt von Matthias Jakisic. Mit diesem sehr präsenten Pulk an Menschen integriert Föttinger das Bild einer heute vielzitierten schweigenden Mehrheit, die Mitläufer oder bloße Zaungäste der politischen Prozesse darstellt. Das hat Kraft. Zu ihren Typen zählen der Großbauer (mächtig: Robert Joseph Bartl), die Alte (vehement: Lore Stefanek), Heimwehrler und Schutzbündler (Jakob Elsenwenger, Alexander Absenger).
(Der Standard)

Regie
Herbert Föttinger

Bühnenbild
Die Schichtarbeiter

Kostüme
Birgit Hutter

Komposition und Live-Musik
Matthias Jakisic

Choreographie
Daniela Mühlbauer

Dramaturgie
Matthias Asboth

Licht
Manfred Grohs

Fanni
Katharina Klar

Sara, Schutzbündlerin
Johanna Mahaffy

Hans, Heimwehrler
Jakob Elsenwenger

Sepp, Großbauer / Der Priester
Robert Joseph Bartl

Die Alte, dessen Mutter
Lore Stefanek / Johanna Mertinz

Otto, Sozialist
Alexander Absenger

Fritz, Student
Nils Arztmann

Rosl, Arbeiterin
Alma Hasun / Kimberly Rydell

Petrow, Kleinkrimineller
Thomas Frank

Direktor, Theaterunternehmer
Günter Franzmeier

Gräfin, Altmonarchistin
Ulli Maier

Inninger, Inspektor
Joseph Lorenz

Das Kind
Clara Bruckmann / Dora Staudinger

und
Katharina Maria Alram / Jan David Bower / Nicolaas Buitenhuis / Dagmar Goller / Jakob Haselhofer / Tamara Hollosy / Noemi Sophia James-Buttinger / Benjamin Kopp / Christoph Kostomiris / Katharina Smutny / Ortrun Obermann-Slupetzky / Filipp Peraus / Sophie Rabmer / Elisabeth Schmidt-Schmid / Matti Schuldt / Florian Bernhard Sendlhofer / Manuel Sonnleitner / Wolfgang Steiner / Selina Strommer / Saskia Wieser