Premiere: 19.12.2013
Agatha Christie
Die Mausefalle
ca. 2 Stunden, 15 Minuten, eine Pause
Seit über 60 Jahren gibt es am Londoner Westend eine Tradition - nach jeder Aufführung der Kriminalkomödie von Agatha Christie wird das Publikum aufgefordert, die Lösung nicht zu verraten.
Wir dürfen Sie ebenso höflich ersuchen, den Mörder nicht zu verraten!
Attention: You are kindly asked not to reveal the identity of the killer to anyone outside the theatre, to ensure that the end of the play is not spoiled for future audiences.
"Ich werde immer gefragt, worauf ich den Erfolg der Mausefalle zurückführe. Von der logischen Antwort ‚Glück!‘ abgesehen, habe ich nur die eine Erklärung: Es ist für fast jeden Geschmack gesorgt." (Agatha Christie)
Die "Mausefalle" wird seit über 60 Jahren im Londoner Westend ohne Unterbrechung aufgeführt und ist damit das am längsten laufende Theaterstück der Welt. Mittlerweile haben bereits über 350 Schauspieler in dieser Produktion mitgewirkt. Der Premieren-Regisseur des Stückes, Peter Saunders, feierte jahrelang sogenannte "Mausefallen"-Partys im Londoner Savoy Hotel, denen auch die sonst recht scheue Agatha Christie regelmäßig beiwohnte.
"Die BBC rief an und wollte wissen, ob ich ein kurzes Hörspiel für ein Programm schreiben würde, das sie aus irgendeinem Anlass, der mit Queen Mary zu tun hatte, auszustrahlen beabsichtigte. Die Königin hatte den Wunsch ausgesprochen, etwas von mir dabeizuhaben, weil sie meine Bücher so gerne las. Ich dachte nach, rief zurück und sagte zu. Das Hörspiel hieß "Die Mausefalle". Und soviel ich weiß, gefiel es Queen Mary.Das hätte das Ende der Geschichte sein können, aber bald darauf schlug man mir vor, eine Kurzgeschichte daraus zu machen. Ich dachte mir jedoch: Warum nicht statt eines Buches ein Theaterstück schreiben? Viel mehr Spaß.
Dann kam die Premiere. Ich muss gestehen, ich hatte nicht das Gefühl, dass es ein großer Erfolg sein würde. Ich fürchtete, ich hatte zu viele komische Szenen eingebaut, denn es wurde zuviel gelacht. Ich war deprimiert. Aber der Regisseur nickte mir ermutigend zu und sagte: "Keine Sorge! Ich schätze, dass es über ein Jahr laufen wird – ich tippe auf vierzehn Monate." "So lange nicht", widersprach ich, "ich rechne mit acht Monaten."
(Agatha Christie, Meine gute alte Zeit)
Shades of Grey: Kammerspiel-"Mausefalle" als Schwarz-weiß-Krimi
Agatha Christies "Mausefalle" ist das erfolgreichste Theaterstück der Welt und wird seit 1952 täglich am Londoner Westend gespielt. Die Wiener Kammerspiele kleiden das charmant-altmodische Whodunit-Stück nun in das Gewand eines englischen Kinokrimis der 1940er Jahre - inklusive Filmmusik und Credits. Das Publikum zeigte sich am Donnerstagabend von diesem Inszenierungskniff begeistert.
Dramatisch wird zur Einstimmung der Stücktitel gleichsam als Filminsert projiziert, bevor sich im Ambiente eines einsamen Landsitzes das Spiel um die Frage entspinnt, welcher der fünf Pensionsgäste ein Mörder ist - und wer das nächste Opfer. Kammerspiel-Regieroutinier Folke Braband hüllt dabei seine weiß geschminkten Protagonisten in aschfahle Ausstattung, die nur aus verschiedenen Grauschattierungen besteht. Auch bleibt das Licht gemäß der britischen Krimitradition stets diffus, während Szenenmusik und Soundflashbacks die cineastischen Stilmittel ergänzen.
Damit präsentiert sich die Wiener Fassung letztlich moderner als die Londoner-Inszenierung, die streng im Stile eines klassischen Kammerstücks gehalten ist und auf immerhin gut 25.000 Aufführungen kommt. Das Stück selbst bleibt allerdings auch in Wien der klassischen Linie treu. Aufgrund eines tosenden Schneesturms ist die kleine Hausgemeinschaft von der Außenwelt abgeschottet und damit eines der klassischen Christie-Settings hergestellt: die Isolierung der Protagonisten, die etwa auch in "Mord im Orient-Express" zur Anwendung kommt. Bald ist jeder verdächtig und jeder scheint einen Grund zum Morden zu haben, was vor allem Heribert Sasse als Major Metcalf und Martin Zauner als Sergeant Trotter mit sinistrer Spielfreude auskosteten, während mancher Kollege etwas hölzerner daherkam.
Noch die finale Aufklärung durch den Inspektor coram publico dazu (keine Angst, wer der Mörder oder doch die Mörderin ist, wird bei der "Mausefalle" traditionsgemäß auch hier nicht verraten), und fertig ist der nostalgische Abend im gemächlichen Tempo - so charmant und altmodisch wie ein Ohrensessel samt Bärenfell vor einem prasselnden Kaminfeuer. Und in der kalten Jahreszeiten auch ebenso empfehlenswert.
(APA)
(…)Regisseur Folke Braband, der die nunmehrige Aufführung in den Josefstädter Kammerspielen betreut(…)dachte sich einen sehr wirkungsvollen Clou aus, der Geschichte einen eigenen Touch zu geben.(…) "Die Mausefalle", dieses Stück der späten vierziger Jahre, hingegen in einen Kinofilm zu verwandeln, der mit allen dazugehörigen Effekten – Ausstattung von anno dazumal, Grautöne, Musikdramaturgie – ausgestattet ist, erweist sich jedoch als vorzüglicher Trick(…)Eine solide Josefstädter Besetzung macht sich scheinbar ernsthaft den Jux, diesen Krimi aller Krimi leicht ironisch und dann doch wieder spannend auf die Bühne zu bringen, indem alle Figuren leise überzeichnet werden. Alexandra Krismer mit anmutigem Hüftschwung und Alexander Jagsch sehr britisch, aber auch ziemlich eifersüchtig, geben das Ehepaar. Marianne Nentwich zitiert mit unwirschen Tönen halb Miß Marple, halb Adele Sandrock. Martin Niedermair gibt dem Christopher Wren leicht schwule exzentrische Züge. Silvia Meisterle. im eleganten Hosenanzug Marlene-Dietrich-mondän, hat eindeutig etwas zu verbergen, und Heribert Sasse als Major im Schottenrock ist die Hintergründigkeit selbst. Siegfried Walther genießt es, den Mr. Paravicini in eine Knallcharge zu verwandeln, und Martin Zauner waltet als Detective Sergeant Trotter auf Mördersuche nachdrücklich seines Amtes. Natürlich hätte das Stück "bunt", einfach auf schrullige englische Land-Gesellschaft gespielt, auch seine Wirkung erbracht. Aber zweifellos ist es auf diese Art schlicht und einfach deliziöser.
(Der neue Merker)
Regisseur Braband und sein genialer Bühnen- und Kostümbildner Stephan Dietrich tauchen die Szenerie in wohliges Schwarz-Weiß, in einen klassischen Rahmen mit wenigen Farbtupfern, bedrohlicher Musik (Felix Huber) und einer klug eingesetzten Leinwand. Und schon ist das Publikum mitten in den bekannten Krimis einer Miss Marple oder eines Edgar Wallace.
Lustvoll wird mit Anspielungen und Querverweisen jongliert; neben Suspense darf auch Witz nicht fehlen. Selbst der finale Abspann ist noch großes Kino.
Ja, diese "Mausefalle" schnappt zu, auch dank der wunderbaren Darsteller. Vor allem Martin Zauner als Detective Sergeant Trotter und Heribert Sasse als mysteriöser Major Metcalf kosten ihre Rollen lustvoll aus, spielen virtuos mit Lüge und Wahrheit. Gleiches gilt für Marianne Nentwich, die ihre Mrs. Boyle als herrlich-nörgelnde Schreckschraube anlegt; als Mr. Paravicini erinnert Siegfried Walther auch frappant an den großen Peter Ustinov. Martin Niedermair darf als Christopher Wren auch einen auf Klaus Kinski machen; Silvia Meisterle gibt die Miss Casewell als eher Frauen verschlingenden Vamp. Alexandra Krismer und Alexander Jagsch sind das nicht minder seltsame Ehepaar Ralston.
(Kurier)
Die Transponierung in die gute alte Schwarz-Weiß-Film-Zeit ist durchaus gelungen, die gut zweistündige Aufführung hat Witz. Nicht Spannung macht das Wesentliche dieses ehrenvoll angegrauten Klassikers aus, sondern der ironische Umgang mit der Vergangenheit. Es wird zum Teil lustvoll gespielt von einem Oktett des Theaters in der Josefstadt, das ausreichend Charakter zeigt, sogar bekannte Charaktere persifliert.
Marianne Nentwich zum Beispiel, die giftige Mrs. Boyle, könnte auch als Miss Marple oder Dame Christie durchgehen. Siegfried Walther wiederum als windiger Mr. Paravicini ist eine würdige Inkarnation von Hercule Poirot. Heribert Sasse macht in einem Kilt als Major Metcalf gute Figur – als wäre er direkt vom Londoner Westend nach Wien importiert worden. Martin Zauner gibt einen großartigen Detective Sergeant Trotter ab, der Spannung bis zum Schluss garantiert.
(Die Presse)
Die 61 Jahre, die Agatha Christies Kriminalstück nun schon am Londoner Westend läuft, mögen übertrieben sein: 30 hätten auch genügt. Weniger aber keinesfalls, denn die Souveränität, mit der die ingeniöse Romancieuse die Technik des "Who done it" beherrschte und dabei die Regeln des klassischen Kriminalromans brach, imponiert wie zu Lebzeiten der 1976 verstorbenen Verfasserin. Acht Personen im klaustrophobischen Raum, einem im Schneesturm von der Welt abgeschnittenen englischen Landhotel: Einer ist der Mörder, jeder kann sein nächstes Opfer sein. Dass dergleichen heute im ewigen Einerlei des psachiatrisch unterfütterten Blutzmetzgerns nicht mehr geschrieben wird, ist ein Jammer. Mehr darf den wenigen der Auflösung Unkundigen nicht verraten werden. Erforderlich hingegen ist der Hinweis, dass Folke Braband in den Wiener Kammerspielen ein amüsantes Spiel mit der filmischen Schwarz-weiß-Technik treibt. Selbst das Feuer im Kamin flackert grau, und die Schauspieler behaupten sich fein im stilistischen Korsett (Ausstattung: Stephan Dietrich). Glänzendes kommt an diesem Abend von Martin Zauner, Heribert Sasse und Marianne Nentwich. Da auch Silvia Meisterle, Siegfried Walther, Martin Niedermair, Alexander Jagsch und Alexandra Krismer nichts Abträgliches nachzusagen ist, erreicht die Aufführung im generalsanierten Traditionshaus ironische Spannung und den Status der Sehenswürdigkeit.
(News)
Regie
Folke Braband
Bühnenbild und Kostüme
Stephan Dietrich
Musik
Felix Huber
Dramaturgie
Silke Ofner
Licht
Franz Henmüller
Mollie Ralston
Alexandra Krismer
Giles Ralston
Alexander Jagsch
Christopher Wren
Martin Niedermair
Mrs. Boyle
Marianne Nentwich
Major Metcalf
Heribert Sasse
Miss Casewell
Silvia Meisterle
Mr. Paravicini
Siegfried Walther
Detective Sergeant Trotter
Martin Zauner