Premiere: 02.11.2018
Karl Kraus
Die letzten Tage der Menschheit
Lesung mit Musik
ca. 2 Stunden, 10 Minuten (Pause nach ca. 60 Minuten)
Fassung von Franz Schuh und Erwin Steinhauer
Erwin Steinhauer nimmt Karl Kraus beim Wort ("Was ich schreibe, ist geschriebene Schauspielkunst!") und präsentiert anlässlich des hundertjährigen Jubiläums zum Ende des Ersten Weltkriegs eine Lesung mit Musik von Karl Kraus’ Monumentalwerk Die letzten Tage der Menschheit im Theater in der Josefstadt.
Mit messerscharfer Präzision findet Steinhauer jeden noch so leisen Zwischenton in Karl Kraus’ Stimmenwirbel zwischen Witz, Sarkasmus und funkelnder Satire und erweckt in sieben Szenen wortgewaltig unzählige Figuren aus dem Kraus’schen Kosmos der Residenzstadt Wien vor dem Zerfall der Monarchie zum Leben: vom Zeitungsausrufer, Demonstrant, Pülcher, Wachmann, Prostituierte, Schwerbetrunkenen, Dienstmann, Wiener Mädel, Knabe, Lehrer, Offizier, General bis zum Kaiser.
Ein wesentlicher Bestandteil dieses Abends ist die Musik: Collageartig montierte Versatzstücke aus Militär- oder Salonmusik, Operette und Heurigenlied, sowie abstrakte filmisch gedachte Klangflächen lassen eine grausam komische, verstörende und wienerische Weltuntergangsoperette erklingen.
Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate.
Karl Kraus’ Vorwort zu Die letzten Tage der Menschheit
Dass ein puristischer Zugang zu den Letzten Tagen der Menschheit keineswegs in einem kärglichen Theaterabend münden muss, bewies der herausragende Menschendarsteller Erwin Steinhauer im Theater in der Josefstadt. Assistiert nur von einem Musiktrio, thronte er gebieterisch im schwarzen Gehrock hinter einem Stehpult und schickte seine Stimme auf die Reise zu den Larven und Lemuren, zu dem gesamten Personal des Weltuntergangs. Mit seiner physischen Präsenz dominierte er die Bühne, sparsame Gestik, doch da war mehr los als in den Massenszenen anderer Produktionen. Steinhauer traf erstaunlich präzise jeden Ton, seine Stimme klang bedrohlich, wo es die Strenge des Textes verlangt, war grob, vertrottelt, ignorant, brüskiert, blutleer, aufgeregt gackernd oder senil. Konzentriert manövrierte er durch das Gewirr der Stimmen und Formen. Ein rares Bühnenereignis. "Tonfälle rasen und rasseln durch die Zeit und schwellen zum Choral der unheiligen Handlung", heißt es in der Vorrede. Ein Einzelner kann alle diese Geräusche aus dem Marstheater auf der Zunge haben.
(Die Zeit)