Premiere: 15.12.2016
Florian Zeller
Die Kehrseite der Medaille
Österreichische Erstaufführung
ca. 2 Stunden, 5 Minuten (Pause nach ca. 65 Minuten)
Als Patrick sich für die viel jüngere Emma scheiden lässt, schockiert das auch seine besten Freunde Isabelle und Daniel. Schließlich kannten einander die Ehepaare ewig und man hat sogar die Urlaube miteinander verbracht! Als Patrick nun seine neue Partnerin zum Essen mitbringt, ist ein Abend voller Komplikationen vorprogrammiert: Emma ist ein wenig zu jung, zu reizend, zu schön und Patrick ein wenig zu glücklich, um das Eheglück von Isabelle und Daniel nicht zu erschüttern...
Der junge französische Autor Florian Zeller bedient sich in der Kehrseite der Medaille eines besonderen Kniffs: Die Figuren sprechen nicht nur das aus, was sie sagen wollen, sondern auch das, was sie in Wirklichkeit denken. Und sofort werden aus zwei bemüht höflichen Paaren streitlustige Menschen, die durchaus gewillt sind, eine Freundschaft und eine Ehe aufs Spiel zu setzen.
Regisseurin Alexandra Liedtke, sonst eher für psychologische Tiefenbohrungen zuständig, hat eine flockig-leichte, schwungvolle Screwball-Comedy inszeniert; keine Pointe wird verspielt, sondern im Pingpong zwischen Beiseitesprechen und Dialogisieren lustvoll und treffsicher hin und her geschupft. Ganz wunderbar die vier auf der Bühne, allen voran Michael Dangl als leicht verklemmter Verleger Daniel, dem so mancher Freud'sche Versprecher entschlüpft, sowie die zweifache Nestroy-Preisträgerin Sona MacDonald als zeitlos elegante, ein bisschen zickige, aber durchaus raffinierte Universitätsprofessorin Isabelle. Alma Hasun gibt die unbekümmert (auf)reizende, gar nicht dümmliche Emma, Marcus Bluhm ihren lässigen Sugar Daddy mit dauerstolzgeschwellter Brust. Stimmig sind auch das hyperrealistisch-dezente Mittelschicht-Wohnzimmer-Bühnenbild von Volker Hintermeier, die in jedem Sinn des Wortes die Figuren betonenden Kostüme von Su Bühler und die von Jakob Schell kompilierte Musik. Die Kehrseite der Medaille ist ein vergnüglicher Abend von hohem Selbst- und Wiedererkennungswert: Selbstkritische Männer erkennen hinter der schönen Fassade sich selbst – und Frauen ihre Männer, wie der begeisterte Applaus bewies.
(Der Standard)
Ein Glücksfall. Alexandra Liedtke hat Florian Zellers Anfang 2016 in Paris uraufgeführte, so bezaubernde wie heimtückische Komödie "Die Kehrseite der Medaille" stimmig und präzise inszeniert, die vier Darsteller haben derart glaubhaft gewirkt, dass nach kurzer Zeit ein kollektiver Denkprozess einsetzte: Ja, Monsieur Zeller, auch Wien darf Paris werden, wir haben verstanden! Die Ehe ist eine Machtprobe mit vielen Verlierern.
Für Dangl ist der Harmoniesüchtige, der von Außerehelichem träumt, aber verlässlich kuscht, eine Traumrolle. In MacDonald hat er einen souveränen Widerpart: Sie spielt Isabelle als eine, die ihrem Gatten im Denken immer um einen Schritt voraus ist. Das zweite Paar wird von Liedtke klug etwas zurückgenommen. Bluhm spielt einen angeberischen Middle-Ager, der keinen Gedanken an Vergangenheit oder gar Verantwortung verschwendet. Und Hasun bleiben als leibhaftiger Versuchung zwar am wenigsten Gedankenspiele, sie hat aber dennoch das schönste "à part": Emma tritt an die Rampe und sagt – nichts. Potztausend!
(Die Presse)
Anmutig, ein bisschen abgeklärt, gibt Sona MacDonald die Regentin im Nobelambiente. Volker Hintermeier umhüllt es mit einer schlierigen Goldbronze-auf-Schwarzbraun-Tapete. Auch die betörenden Rot-zu-Rot-Kombinationen in Su Bühlers Kostümen und das warme Licht Emmerich Steigbergers stützen das zappelige Sprachkonstrukt. Michael Dangl, noch immer mit Spuren schelmischen Bubencharmes begnadet, hüpft zwischen beiden Sprechebenen mit zunehmender Leichtigkeit hin und her. Kein Absturz zur Witzfigur. Klamauk in Minidosen. Seriöser Spaß. Der Fasching kann kommen.
(Wiener Zeitung)
Mit die "Kehrseite der Medaille" hat Autor Florian Zeller ein herrliches Konversationsstück geschrieben, bei dem richtig guter Boulevard die Lachmuskeln ganz heftig strapaziert. In den Kammerspielen der Josefstadt hat Alexandra Liedtke im schönen Wohnzimmer-Bühnenbild von Volker Hintermeier mit größter Präzision inszeniert. Liedtke lässt dabei die Pointen sehr delikat und mit feiner Klinge servieren. Es gibt viel zu lachen, aber glücklicherweise keinen platten Schenkelklopfer-Humor. Denn dafür sind die Protagonisten viel zu gut. So besticht Michael Dangl als Gastgeber Daniel. Sona MacDonald gibt eine noble, überlegene Isabelle, die sich letztlich mit ihrer nicht nur scheinbaren Kontrahentin Emma (spritzig und stark: Alma Hasun) anfreundet. Marcus Bluhm ergänzt das sich in verbalen Spitzen herrlich übende Ensemble.
(KURIER)
Boulevard-Stücke zählen zu den größten Herausforderungen am Theater. Vor allem, wenn sie eine scheinbare Leichtigkeit ausstrahlen, wie die Komödien des jungen Franzosen Florian Zeller. Aus der banalen Geschichte eines Ehepaars, das die junge Geliebte eines Freundes beim gemeinsamen Abendessen kennenlernt, generiert Alexandra Liedtke mit Michael Dangl, Sona MacDonald, Marcus Bluhm und Alma Hasun fulminantes Konversationsstück, das an die große Zeit Woody Allens erinnert.
Das Stück für vier Schauspieler ist eine artifizielle Komödie, die sich eines Stilmittels bedient, das man heute fast nur noch aus Klassikern kennt: Das Beiseitesprechen. Das heißt, der Schauspieler erzeugt eine zweite Ebene zum Geschehen, indem er zum Publikum spricht. Man kennt das aus den Komödien Molières und später auch Nestroys, deren Figuren damit große komische Momente erzeugen.
Die zweite Ebene jedoch, die beiseite gesprochene, verrät die wahren Gedanken. Damit spielt auch Regisseurin Alexandra Liedtke. Zuweilen scheint es, als hätte sie für jede ihrer Figuren eine eigene Partitur erstellt, wie sie zu agieren hat. Und das verlangt größtes Können der Schauspieler. Darüber verfügt Michael Dangl. Er zeigt den Verleger Daniel, der im Beruf erfolgreich ist, sich zu Hause aber den Gesetzen seiner Ehefrau Isabelle (Sona MacDonald) unterwirft. Wie er seine Gewissensbisse, seine Ängste, seine Wünsche und Sehnsüchte à-part spricht und sich dabei vom soignierten Herren zum Schulbuben wandelt, der seine kleinen Streiche nicht zu gestehen wagt , ist Präzisionsarbeit. Und nur damit lässt sich wahre Komik erzeugen. Sona MacDonald gibt die überlegene Universitätsprofessorin mit Noblesse. Marcus Bluhm zeigt authentisch einen verliebten Mann. Und Alma Hasun vervollständigt das Ensemble als junge Verführerin. An dieser Aufführung fehlt nichts.
(NEWS)
Florian Zellers neuestes Beziehungsstück in der Regie von Alexandra Liedtke an den Wiener Kammerspielen umjubelt!
Alles hat zwei Seiten - nicht nur Medaillen, sondern auch das Beziehungsleben. Dieser Erkenntnis muss sich Daniel, Protagonist in Florian Zellers neuem Stück "Die Kehrseite der Medaille", stellen. Beziehungsweise muss dies das Publikum tun, mit dem sich die Charaktere durch Beiseite sprechen verbünden. Die Zuschauer in den Wiener Kammerspielen revanchierten sich mit langem Applaus.
Dieser galt nicht zuletzt Regisseurin Alexandra Liedtke, die bereits im Februar an den Kammerspielen mit "Vater" das Erfolgsstück des jungen französischen Dramatikers Zeller inszeniert hatte.
(APA)
Regie
Alexandra Liedtke
Bühnenbild
Volker Hintermeier
Kostüme
Su Bühler
Musik
Jakob Schell
Dramaturgie
Cinja Kahl
Licht
Emmerich Steigberger
Daniel
Michael Dangl
Isabelle
Sona MacDonald
Patrick
Marcus Bluhm
Emma
Alma Hasun