Premiere: 15.11.2018
Arthur Schnitzler
Der einsame Weg
ca. 1 Stunde, 30 Minuten, keine Pause
Dieses Stück ist der Herbst einer Jugend. Herbst eines Genießers, der traurig ist (im Grunde nicht, weil das Sündenleben ein Unrecht war, sondern weil es zu Ende geht).
Dieses Stück ist der Aschermittwoch nach einem holden, eigentlich schon früher melancholischen Karneval: Katzenjammer der Seele; Entsagen; Alter; Schuldgefühl; Einsamkeit; sinkende Hüllen.
Etwas Trauervolles dehnt sich über die Vorgänge. Eine Trauer, die nicht immer in der Zeiten Lauf gefeit sein wird gegen eine lächelnde Betrachtung. Heut ist sie es: kraft der besondren Süße dieses Dichters, den wir, die Zeitgenossen, lieben, vielleicht weil er in manchem Werk mit leiser Stimme etwas gesagt hat, das wir Jetzigen, nur wir Jetzigen, so in uns dämmern fühlten. Eine halbe Regung; ein gleitender Schatten, ein verwehender Duft, ein Sekundentraum...Und wenn der Hauch nicht mehr gefühlt wird, die Süße nicht mehr geschmeckt, der gleitende Schatten nicht mehr gesehn: dann werden die Kommenden vielleicht lachen.
Alfred Kerr
Mateja Koležnik, an der Josefstadt zuletzt verantwortlich für die nestroypreisnominierte Erfolgsproduktion Die Wildente von Henrik Ibsen, setzt Schnitzlers fein-melancholisches Meisterstück in Szene.
In einer vom Lebensgefühl des Fin de Siècle geprägten Atmosphäre beschreibt Schnitzler eine Gesellschaft, der die Welt in Jugendtagen offen stand. Doch die Träume und Hoffnungen sind in einer ernüchternden Lebensbilanz aufgegangen, die Freuden von einst werden zu Schatten der Vergangenheit.
So radikal wie die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik hat schon lange niemand mehr mit der Josefstädter Schnitzler-Tradition gebrochen. Die Worte fallen in ihrer atemlosen Version von "Der einsame Weg" wie schwere Steine aus den Mündern der Figuren – und bleiben in einem Meer an Stille liegen. Es sind Felix und Johanna, die beiden Kinder des steifen Herrn Kunstprofessor, die in Schnitzlers Tragödie im Mittelpunkt stehen. Koležnik zoomt in ihrer vor Spannung knisternden und von Nikolaj Efendis Klangteppich unterlegten Inszenierung noch etwas stärker an sie heran. Alles Beiwerk, jeden Schnörkel in diesem zu Breite neigenden Empfindungsstück hat sie gestrichen. In kurzen 90 Minuten erzählt sie von der Auflösung einer Familie, die nur durch die Ausblendung aller Wahrheiten eine sein konnte.
(Der Standard)
Atembremsend langsam hebt sich der Eiserne Vorhang. Ruck um Ruck erscheint mehr von der Wand aus vier gleich hohen Flügeltüren. Ihr feines Relief scheint zu zittern, als wäre es knisternd unter Strom gesetzt. Raimund Orfeo Voigts Bühnenmaschinerie bietet ein Schauspiel, in welchem Arthur Schnitzlers Fin-de-siècle-Figuren scharfe Konturen brauchen, um nicht als Statisten durch den Beziehungsparcours zu tappen. Die zeigt das Ensemble bravourös in angespannter Genauigkeit.
(Wiener Zeitung)
Für die Vorschau posierte das Ensemble, das Arthur Schnitzlers "Der einsame Weg" spielen würde, in einem Paternoster. Eine passendere Metapher hätte man gar nicht finden können. Denn Raimund Orfeo Voigt und Kathrin Kemp setzen in ihrem grandiosen Bühnenbild das Prinzip des Umlaufaufzugs in der Horizontalen um. Doch nicht nur das variantenreiche Bühnenbild, auch die Inszenierung ist raffiniert. Regisseurin Mateja Koležnik verzichtet auf jedes bloß schmückende Wort. Die gepflegte Konversation und auch das Wienerische müssen zwar dran glauben; doch durch die Striche sind Schnitzlers Sätze ungemein zeitgenössisch. Koležnik inszenierte ein Psychodrama, das durch die bedrohlichen Geräuschkulissen von Nikolaj Efendi und den hallend verstärkten Stimmen nachgerade zum Psychothriller wird. Ein fulminanter Abend.
(KURIER)
Die Szene wird von bühnenhohen Türen dominiert. Sie atmen und zittern und rotieren und drängen die Personen auf einen schmalen Streifen. Ein grandios konzipierter Raum. Die pausenlosen eineinhalb Stunden haben Spannung und die Atmosphäre rasenden Stillstands. Mithilfe eines exzellenten Ensembles erlebt man das Jahrhundertwendestück überraschend heutig geschärft, als überzeugendes wie stimmiges Kondensat.
(Kronen Zeitung)
Eine nachdenkliche, sehenswerte Schnitzler-Paraphrase.
(Tiroler Tageszeitung)
Originell und kühl kalkuliert.
(Die Presse)
Der Abend entwickelt einen gewaltigen Sog.
(Profil)
Eine hoch konzentrierte und stringente Aufführung Schnitzler pur von Mateja Koležnik. Eine großartige Neuinszenierung mit einem großartigen Ensemble.
(Kleine Zeitung)
In einem schwarzen Rahmen eingefasst, verbauen vier hohe graue Flügeltüren die Bühne. Ein Setting zum Ersticken. Die Eröffnung für "Der einsame Weg" suggeriert schwebenden Stillstand. Bühne (Raimund Orfeo Voigt, Kathrin Kemp) und Kostüme (Alan Hranitelj) tunken das Geschehen in diverse Grautöne. Hinter der zweiten Türenwand lauert schwarzes Nichts. Koležnik situiert die Dialoge zwischen Tür und Angel. Atemlose Sätze ohne Übergänge und ohne Konsequenzen. So monoton, so großartig arg, grandios!
(Falter)
"Der einsame Weg" von Arthur Schnitzler. Ein Dickicht an redseligen Selbstinterpretationen. Aber eben von einem großen Theaterdichter. Da heißt es schlägern, um zum Durchblick zu kommen, da heißt es vieles, das man spielen kann, nicht auch noch zu zerreden. Der Shootingstar Mateja Koležnik hat eine Bühnenidee, die ihr gleichsam Filmschnitte ermöglicht. Was an Text unverzichtbar ist, wird Situation. So wird das Stück spannend, so kommen die Menschen aus dem weiten Land der Psychologie dem Publikum an die Haut, so applaudiert es neben dem große Vergleiche aushaltenden Ensemble auch dem Mut des Hauses. Die Freude an der Befreiung des Stückes ist dominant. Und Maria Köstlinger bleibt als vom Leben und Kunst gleichermaßen verratene Frau unvergesslich.
(Die Zeit)
Regie
Mateja Koležnik
Bühnenbild
Raimund Orfeo Voigt
Bühnenbild
Kathrin Kemp
Kostüme
Alan Hranitelj
Choreographie
Matija Ferlin
Musik
Nikolaj Efendi
Dramaturgie
Matthias Asboth
Licht
Emmerich Steigberger
Dolmetscherin
Alina Zeichen
Professor Wegrat, Direktor der Akademie der bildenden Künste
Marcus Bluhm
Gabriele, Wegrats Frau
Therese Lohner
Felix, deren Sohn
Alexander Absenger
Johanna, deren Tochter
Alma Hasun
Julian Fichtner
Ulrich Reinthaller
Stephan von Sala
Bernhard Schir
Irene Herms
Maria Köstlinger
Doktor Franz Reumann, Arzt
Peter Scholz