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Kammerspiele der Josefstadt
Premiere: 24.11.2011

Lutz Hübner / Sarah Nemitz

Blütenträume

Österreichische Erstaufführung

ca. 2 Stunden, 20 Minuten, eine Pause

Drei Männer und vier Frauen wollen es noch einmal wissen und buchen in der Volkshochschule einen Flirtkurs. Zielgruppe: die Generation 55 . Ein professioneller Coach soll die bereits Geschiedenen oder Verwitweten dabei unterstützen, einen neuen Partner/eine neue Partnerin fürs Leben zu finden. Voller Elan stürzen sie sich in erste Speeddating-Übungen und Flirtimprovisationen.

"Blütenträume" nennt der 1964 geborene deutsche Autor Lutz Hübner sein Stück, in dem sich verzweifelte Senioren Tipps und Tricks für Kontaktaufnahme und Partnersuche erhoffen und doch auf sich und ihre Probleme zurückgeworfen werden.
Für die von Michael Gampe inszenierte Österreichische Erstaufführung gab es gestern, Donnerstag, reichlich Applaus.
Heribert Sasse gibt den eitlen pensionierten Schuldirektor, der die Prüfungen des Lebens mit betont jovialem Auftreten und aufgesetzter Lebensfreude zu bestehen hofft. Dietrich Siegl ist ein kommunikationsgestörter Automechaniker, dem Dackelfalten das eigene Gesicht zur Knautschzone gemacht haben und nicht nur das Getriebe ordentlich ins Stottern gekommen ist. Erich Schleyer gefällt als vom Aussteigertrip zurückgekehrter verträumter Tischler, der die Scharten seines eigenen Lebens gerne auswetzen würde. Marianne Nentwich rührt als Witwe, die die Kränkungen durch ihren nach langer Demenzerkrankung verstorbenen Gatten gerne vergessen würde. Tatja Seibt würde als unternehmungslustige Witwe gerne nicht weiterhin alleine trinken müssen. Bigi Fischer will als schnippisch-selbstbewusste Bibliothekarin eine neue Seite ihres Lebens aufschlagen, und Anna Franziska Srna ist als Immobilienmaklerin zwar viel jünger, aber auch viel unsicherer als alle anderen.
Dass sie alle resistent sind gegen jene Verkaufstechniken und Selbstvermarktungsstrategien, die ihnen im Kurs beigebracht werden sollen, ist vorhersehbar. Aber sie sind liebevolle Figuren voller Details von hohem Wiedererkennungswert. Und sie bieten einiges zu lachen. Größter Lacher des Abends: "Ich trinke darauf, dass ich das erste Mal seit Jahrzehnten auf einem Fest bin, bei dem ich mit keinem einzigen Gast verwandt bin." Für etwaige Verwirklichung eigener "Blütenträume2 gibt es übrigens eine Pause. 15 Minuten mögliches Speed-Dating. Nicht der beste, aber jedenfalls ein möglicher Gesprächsanfang: "Und, wie gefällt es Ihnen?"
(APA)

(...)Von Michael Gampes Inszenierung kann man nicht genug schwärmen. Jeder Schauspieler ist ein kleines Wunder für sich. Warum sind diese Leute so großartig wie sonst selten? Das schlichte Geheimnis lautet: typgerechte Besetzung. Zwei Witwen sitzen im Sesselkreis dieses Altenkindergartens: die verhärmte Frieda (Marianne Nentwich), die ihren an Alzheimer leidenden Mann jahrelang gepflegt hat und dabei beinahe draufgegangen ist, und Gila (die immer wieder grandiose Tatja Seibt), deren Gatte kurz nach der Pensionierung an einem Schlaganfall gestorben ist.(...)
Heribert Sasse brilliert als altmodischer, ehemaliger Schuldirektor, der sich ausgerechnet die emanzipierte Ex-Bibliothekarin Britta (hinreißend herrisch und elegant: Bigi Fischer) aufreißt. Die Dame hat eine Zunge wie ein Schwert und ist das Gegenteil von dem, was der dominante Friedrich zu suchen glaubt, nämlich ein braves Frauchen. Am Ende wird er gezähmt. Erich Schleyer berührt nachhaltig als schrulliger Tischler, den die Frau verlassen hat. Dietrich Siegl begeistert ebenfalls auf unauffällige Weise: als Macho-Automechaniker, der dem Coach eins auf die Nase gibt, weil das Reden nun einmal nicht seine Sache ist.(...)
"Blütenträume" sind Boulevard, wie man ihn sich wünscht und selten bekommt. Das Drama ist kein rasant gedrechseltes Klipp-Klapp, sondern psychologisch wie sprachlich stimmig, als hätte Lutz Hübner die Story recherchiert. Gampe hat die Kümmernisse dieser Leute ernst genommen und mit einem emotional richtig aufgeladenen Ensemble eine schöne Aufführung geschaffen.
(Die Presse)

Lutz Hübners Stück "Blütenträume" kommt in der österreichischen Erstaufführung von Michael Gampe leichtfüßig daher, es gibt viel zu lachen. Bei aller Unbeschwertheit aber ist diese Aufführung ein starkes Statement gegen die Verramschung von Gefühlen. Die bis ins kleinste, nervöse Zucken fein gezeichneten Figuren sind dem Zuschauer schnell ans Herz gewachsen.
Ulf (Erich Schleyer), der kindliche Riese, der wenig, aber ausschließlich Wichtiges sagt, hat Frieda eben seine Liebe gestanden. Marianne Nentwich spielt sie als lebenskluge Dame. Dann wäre da noch der unsichere Heinz (Dietrich Siegl), Gila mit rauer Stimme und überbordender Lebenslust (Tatja Seibt), Bibliothekarin Britta (Bigi Fischer), bissig und trocken, und Schuldirektor Friedrich. Heribert Sasse macht aus ihm ein ungustiöses Highlight, einen selbstverliebten Gockel, ohne jedes Gespür für die eigene Peinlichkeit. Und Julia schließlich, die völlig (und bisweilen allzu sehr) hysterisierte, erfolgreiche Singlefrau.
Ein großartiges Ensemble, das bei aller Vergnüglichkeit niemals ins Belanglose abdriftet. Und mit leichter Hand essenzielle Lebensthemen anfasst.
(Der Standard)

Es gibt herrliche Charakterstudien zu bewundern: Heribert Sasse als eitler, schmieriger Ex-Schuldirektor im Trachtengewand, Erich Schleyer als sensibler Tischler mit verpatzter Aussteigerkarriere, Dietrich Siegl als Automechaniker mit handfestem "Haklercharme", Bigi Fischer als nicht unbissige Bibliothekarin, Tatja Seibt als mütterliche Witwe und beschwipste Oma, und Anna Franziska Srna, die Jüngste, mit dem höchsten Hysterieanteil. Kursleiter Peter Scholz gerät glaubwürdig außer sich. Für tiefer gehende Momente sorgt Marianne Nentwich mit ihren Erlebnissen an der Seite eines Demenzkranken. Da wird es glatt still im lachfreudigen Publikum.
(Salzburger Nachrichten)

Regisseur Michael Gampe lässt das überaus spielfreudige Ensemble recht munter vor sich hin werken und groß aufspielen. Ein recht unterhaltsamer Abend auch für Menschen unterhalb des Pensionsalters.
(Oberösterreichische Nachrichten)

In der perfekten Ausstattung von Rolf Langenfass hat Michael Gampe ganz vorzüglich inszeniert, stellt eine glückliche Balance aus Komödie und Tiefgang her und lässt – Hübner ist ein gerechter Dramatiker, er schreibt für die Praxis – jeden Darsteller aufblühen, denn alle bekommen ihre Möglichkeiten. Dass diejenigen, die aus der Reihe tanzen, am meisten Aufmerksamkeit bekommen, ist auch im Leben so – Heribert Sasse und Bigi Fischer nützen dies, besser auffallen als gemocht werden. Marianne Nentwich als die Verschlossene und Tatja Seibt als die Gutwillige formulieren die sympathischen Damen nach ihren Persönlichkeiten, Erich Schleyer und Dietrich Siegl tun dies auf das schönste mit ihren schlicht-gemütigen Figuren. Peter Scholz kämpft vergebens um die Anerkennung der Oldies und Anna Franziska Srna nervt, wie es die Rolle verlangt, ganz ergötzlich mit ihrem Ego.
Am Ende hat man, und das ist das wahre Kunststück, geradezu das Gefühl, ein Stück gesehen zu haben, in dem es um etwas geht.
(Merker)

Regie
Michael Gampe

Bühnenbild und Kostüme
Rolf Langenfass

Dramaturgie
Katharina Schuster

Licht
Karl Binder

Regieassistenz
Anna-Sophie von Gayl

Ton
Dieter Fassl

Ton
Reinhard Köberl

Ton
Jakob Schell

Frieda, Witwe, Anfang sechzig
Marianne Nentwich

Ulf, Tischler, Anfang sechzig
Erich Schleyer

Heinz, Automechaniker, Ende fünfzig
Dietrich Siegl

Gila, Witwe, Anfang sechzig
Tatja Seibt

Julia, Maklerin, Mitte vierzig
Anna Franziska Srna

Friedrich, Schuldirektor, Anfang sechzig
Heribert Sasse

Britta, Bibliothekarin, Anfang sechzig
Bigi Fischer

Jan, Seminarleiter, Anfang vierzig
Peter Scholz