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Theater in der Josefstadt
Premiere: 05.03.2009

Ingmar Bergman

Aus dem Leben der Marionetten

Österreichische Erstaufführung

Ingmar Bergman, 25. Januar 1979:
Im ersten Teil von "Szenen einer Ehe" treten zwei wütende, chaotische Personen auf, die ich Peter und Katarina nannte. Sie hätten für ihr Drama in den "Szenen" eigentlich wesentlich mehr Platz haben sollen, Johan und Marianne nahmen aber allen Raum in Anspruch, so dass ich das weitere Geschick des schrecklichen Paars verschweigen musste.
Mit großer Hartnäckigkeit tauchten sie in meinen Plänen auf. Szenen formten sich und nun ist das Drehbuch ein Fakt. Das Spiel bewegt sich auf verschiedenen Zeitebenen (vor und nach der Katastrophe), außerdem sind Rückblicke eingeblendet.
Aus alter Gewohnheit erläutere ich im Vorwort meiner Drehbücher, warum ich den Film geschrieben habe. Das ist nicht immer leicht.
Es droht die Gefahr von Rationalisierungen und neunmalklugem Gerede. Hier ist es aber einfach: Warum kommt es bei einer in jeder Hinsicht angepassten und gutsituierten Person zu einer Kurzschlussreaktion? In kurzen, häufig unterbrochenen oder absichtlich auseinandergerissenen Szenen versuche ich (der Außenstehende), eine Art Protokoll zu erstellen. Ich habe auf jede Einmischung verzichtet, was natürlich heißt, dass Objektivität trotzdem reine Illusion wäre.
Keiner der Auftretenden kann den Anspruch erheben, das Drama zu erklären oder zu verdeutlichen. Alle sind darin verstrickt und dadurch verwirrt. (Der Psychiater, der von Berufs wegen dem Verständnis am nächsten stehen sollte, ist am weitesten davon entfernt.)
Jeder, der Lust hat oder es spannend findet, soll seine eigenen Schlüsse ziehen; und wer keine Lust hat, kann das Ganze hoffentlich eine Zeitlang als eine Art von Unterhaltung betrachten.

Im Laufe des Jahres 1979 drehte Bergman den Fernsehfilm "Aus dem Leben der Marionetten" (mit Robert Atzorn, Christine Buchegger und Martin Benrath) und notierte: 
Er stieß weitgehend auf Ablehnung, gehört aber zu meinen besten Filmen, eine Ansicht, die von einigen wenigen geteilt wird.

Ingmar Bergman, 14. Dezember 1979:
13:45 – Wir bereiten die letzte Einstellung vor – dann ist Schluss (für immer??), ein Gefühl, wie unfassbare Erleichterung. Und eine überraschende Traurigkeit. Sowas gibt’s. No, keine Sentimentalität. Ich habe einen scheußlichen, langweiligen, ungemütlichen, grauen, eigenartigen Film gemacht! Jawohl. Und das freut mich.

Ingmar Bergman, 21. Dezember 1979:
Nach Abschluss der Dreharbeiten erhöhter Blutdruck. 155/90.

Ingmar Bergman, der große Psychologe des europäischen Kinos, erzählt mit seinem 1980 verfilmten Stoff die Geschichte eines Mordes inmitten der bürgerlichen Gesellschaft. Und stößt in ihren Mechanismen auf eine quälend-schwelende Mixtur aus Einsamkeit, Lebensüberdruss, Ängsten und albtraumhaften Phantasien. Alle Figuren spüren intelligent und beredt ihrem Unglück hinterher, alle sehnen sich nach wahrhaftiger Nähe, nach einem Ausbruch aus dem Gewohnten. Doch die Schmerzen, die Explosion, die Katastrophe sind nicht weit entfernt.

Sein bubenhafter Charme kommt Schir auch diesmal zupass. Peter, der ewige Kindskopf, das Muttersöhnchen, der geile Bock, der Mörder – all dies verbindet sich in ihm. Noch den Tennisschläger in der Hand, sitzt er bei Jensen in der Praxis, starrt auf seine Schuhspitzen, erzählt von mörderischen Albträumen und muss sich abkanzeln lassen: Einen Spaziergang soll er machen, einen Cognac trinken. Und nächsten Donnerstag wiederkommen, da hat Jensen, der Freund, ein paar Stündchen Zeit. Dann wird Peter hinauskomplimentiert, denn Jensen hat ein Stelldichein.
(FAZ)

Wenn Philip Tiedemanns Inszenierung von Bergmans Text im Theater an der Josefstadt eher wohliges Schaudern als echte Erschütterung produziert, dann ist das durchaus dem Werk entsprechend: Unter Best-of-Entfremdung-Sagern wie "Leute wie du glauben ja nicht an die Existenz der Seele" oder "Im Bett haben wir’s fabelhaft! Wir lieben ohne Gefühl" gefriert jedes Leiden zur gefälligen Pose. Das Ergebnis sind eindreiviertel Stunden kompetentes Seelenboulevardtheater mit kurzweilig eingesetzter Bühne (Bühnenbild: Etienne Pluss), engagiertem Spiel (schön herb: Maria Köstlinger als Egermans Gattin Katarina) (..). "Alle Wege sind versperrt" erklärt Peter (souverän: Bernhard Schir) immer wieder.
(Falter)

Am Anfang steht ein Mord, den man am Ende noch einmal sieht – so brutal als Sex & Crime-Szene ausgespielt, dass es dem Josefstadt-Publikum fast den Atem verschlägt. (...) Rund um den Mord an einer Prostituierten blättert das Stück in Gegenwart und Rückblenden auf. Gnadenlos analysiert und verdammt Bergman eine Yuppie-Gesellschaft, die uns – obwohl das Stück 30 Jahre alt ist – gar nicht so fremd vorkommt. Regisseur Philip Tiedemann inszeniert den Abend mit kompromisslos seelischer Grausamkeit.
(Vorarlberger Nachrichten)

Maria Köstlinger (...) schafft mit Marianne Nentwich den stärksten Moment des Abends: Sie zeigt kurz nach der Untat an der Hure Ka (Silvia Meisterle) all den Schmerz hinter einer nur scheinbar starken Hülle. Überzeugend auch der Kurzauftritt von Peter Scholz als Freund Arthur.
(Kronen Zeitung)

Regisseur Philip Tiedemann geht sehr intelligent mit der kargen, intensiven Vorlage um, ebenso Bernhard Schir, Fernsehstar mit Innsbrucker Wurzeln, der den Peter außerordentlich authentisch und uneitel anlegt. Maria Köstlinger ist eine ebenbürtige Katarina: Die Szenen jener erbärmlichen, hilflosen Zweisamkeit der Eheleute gehören zum Best-of der letzten Josefstadt-Jahre.
(Tiroler Tageszeitung)

Tolle Schauspieler wie Bernhard Schir (Egerman) oder Maria Köstlinger (seine Frau).
(Kurier)

Regisseur Philip Tiedemann inszeniert den Abend in einem Bühnenbild von Etienne Pluss, dass die glatte, geschmäcklerische Atmosphäre dieser Welt glänzend widerspiegelt. Bernhard Schir steht als Peter Egerman faszinierend wie ein einziges Stück Schmerz da und weiß sich in dieser Welt und in diesem Leben nicht zu helfen. Er scheitert an vielem, auch an der kühlen Unbestimmtheit, die Maria Köstlinger als seine Frau umgibt. Die beiden sind von einer Menge Nebenfiguren umgeben, aus denen eine geradezu herausstrahlt: Der homosexuelle Künstler Tim hat zwar nur am Rande eine Funktion im Geschehen, aber wie der TV-bekannte Sylvester Groth ihn spielt, lässt das Publikum den Atem anhalten. Die seelischen Abgründe, die da von der Bühne in den Zuschauerraum strahlten, wurden geradezu schockhaft spürbar.
(Neues Volksblatt)

Köstlinger leistet (...) tolle Überzeugungsarbeit, so wie Schir.
(Presse)

Gegenwart und Rückblicke geschickt verbindend (...), setzt sich in Mosaiksteinen das Bild der Verzweiflung zusammen, die zur Tat führte. (..) Diesen Egerman spielt Bernhard Schir und es ist ein Glücksfall, dass die Josefstadt diesen Schauspieler immer wieder aus seinen Fernsehrollen herausholt.
(Der neue Merker)

Schir gibt (...) die bürgerliche Ausgabe einer Brecht-Figur.
(Standard) 

Regie
Philip Tiedemann

Bühnenbild
Etienne Pluss

Kostüme
Stephan von Wedel

Musik
Ole Schmidt

Dramaturgie
Katharina Schuster

Licht
Emmerich Steigberger

Regieassistenz
Anna-Sophie von Gayl

Ton
Sylvia Matiz

Ton
Jakob Schell

Ton
Michael Huemer

Peter Egerman
Bernhard Schir

Katarina Egerman
Maria Köstlinger

Prof. Mogens Jensen, Psychiater
Alexander Strobele

Cordelia Egerman, Peters Mutter
Marianne Nentwich

Tomas Isidor Mandelbaum, genannt Tim
Sylvester Groth

Frau Anders, Peters Sekretärin
Elfriede Schüsseleder

Arthur Brenner, Peters und Katarinas Freund
Peter Scholz

Ka, Prostituierte
Silvia Meisterle

Ein Türsteher
Hans Wolfgang Pemmer

Der leitende Untersuchungsbeamte
Peter Moucka

Stimme vom Band (Krankenschwester) Stimme vom Band (Krankenschwester)
Krista Birkner