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Theater in der Josefstadt
Premiere: 12.03.2015

Thomas Bernhard

Am Ziel

ca. 2 Stunden, 45 Minuten, eine Pause

MUTTER Daß ich den Schriftsteller eingeladen habe nach Katwijk du wolltest es du wolltest daß er mit uns nach Katwijk reist ich wollte es nicht wie kann ich es wollen nein ich liebe diese jungen Leute nicht und schon gar nicht diese Intellektuellen diese Leute mit ihren Geistesambitionen
diese Leute habe ich nie geliebt die bringen nur alles durcheinander und stellen alles auf den Kopf Es war ein Fehler ihn aufzufordern mitzukommen
TOCHTER Aber er bleibt doch nur ein zwei Tage
MUTTER Ja das sagt sich so ein zwei Tage
TOCHTER Er hat sich so gefreut er bewundert dich Mama
MUTTER Das war ein Fehler ihn aufgefordert zu haben. Aber es war ein Gefühl im Augenblick ein merkwürdiges Gefühl der Treue zu dir verstehst du
(Auszug aus Am Ziel)

Seit zwanzig Jahren fahren Mutter und Tochter am gleichen Tag nach Katwijk ans Meer, aneinandergefesselt in gegenseitiger Abhängigkeit.
Doch in diesem Jahr wird es anders sein. Ein dramatischer Schriftsteller wird sie begleiten und das gemeinsame Ritual von Mutter und Tochter brechen.
Die etablierte Sicherheit der Mutter wird durch den Gast, den Eindringling, gefährdet.

Am Ziel wurde 1981 bei den Salzburger Festspielen in der Regie von Claus Peymann uraufgeführt. Seinem Stück stellte Bernhard ein Zitat des französischen Philosophen Blaise Pascal voran: "Die Sorgen des menschlichen Lebens haben all das bewirkt; als man das erkannte, wählte man die Zerstreuung."

Andrea Jonasson liefert als herrische Mutter im Theater in der Josefstadt ein eindrucksvolles persönliches Thomas-Bernhard-Debüt ab.
(APA)

Jubel für Jonasson als Mutter-Monster.
Feuerrote Haare, rauchige Stimme: Die Primadonna Andrea Jonasson, noch immer bildschön, obwohl sie zwei Stunden lang mit zwei gebrochenen Halswirbeln und Halskrause im Ohrensessel sitzen muss, spielt in der Josefstadt erstmals Thomas Bernhard. "Am Ziel" heißt das obsessive Sprachkunstwerk des Wiederholungs- und Übertreibungskünstlers, das 1981 in Salzburg von Claus Peymann uraufgeführt wurde. Damals war Marianne Hoppe die Protagonistin; nun spielt Jonasson in Cesare Lievis solider Regie das Mutter-Monster.
Schmähgesänge. Seit 33 Jahren fahren Mutter (Jonasson) und Tochter (Therese Lohner) auf Sommerfrische nach Katwijk, diesmal in Begleitung des dramatischen Schriftstellers (Christian Nickel), der sich für die Tochter interessiert und für sein Stück "Rette sich, wer kann" gefeiert wird. Als monopolisierte Sprache trägt die Mutter ausgedehnte Schimpfreden und Schmähgesänge zum Thema "Mein Mann war ein Monster", "Mein Sohn war ein Krüppel" oder "Meine Tochter ist lebensunfähig" vor.
Tiraden. Jonasson brilliert in den monologischen Endlos-Tiraden als böse alte Frau, die dauernd redet, um sich ihres Lebens zu versichern, ihre Macht zu behaupten, ihre Tochter zu quälen und den Dichter zu verführen. Jubel für die Diva!
(Österreich)

Wie komplex Thomas Bernhards Stücke sind, wird am deutlichsten, wenn man sie als das nimmt, was sie sind: als virtuos-melodiöse Sprachkunstwerke von ironischer Schärfe. Und das macht der italienische Regisseur Cesare Lievi. Er vertraut dem Text, verzichtet auf jegliches Tam-Tam und reflektiert Bernhards Theatergeschichte mit. Andrea Jonasson ist Witwe, kulturaffine Salondame und tyrannische Mutter. Zwei Stunden lang verlässt sie ihren Fauteuil nicht, monologisiert, erteilt ihrer Tochter Anweisungen und gibt sich ganz Bernhards Sprachduktus hin. Virtuos, nonchalant transportiert sie Bernhards ironische Attacken auf Theater, Publikum und Kritiker. Und diese funktionieren auch heute noch in ironischer Schärfe.
Therese Lohner ist die Tochter. Text steht ihr nur wenig zur Verfügung, umso beklemmender, ausdrucksstärker ihr Mienenspiel.
(News)

Ein hintergründig-vielschichtiges Kammerspiel in einer präzis-sensiblen Meisterinszenierung von Cesare Lievi mit Andrea Jonasson als Protagonistin.
Andrea Jonasson bewältigt den Rhythmus von Bernhards Sprachkaskaden mit einer wie selbstverständlich anmutenden Virtuosität. Während Therese Lohner - großartig als ältliche, gedemütigte, grantig einherschlurfende Tochter - beinahe stumm Kleidungsstück um Kleidungsstück in einen Koffer schichtet, blickt die Mutter in raffinierter Selbstinszenierung auf ihr Leben zurück: Aus einer analphabetischen Schaustellerfamilie stammend, hat sie sich einen Gusswerksbesitzer und Eigentümer eines Hauses am Meer geangelt, obwohl sie alles an diesem Mann von Grund auf verabscheute. Ihre Liebe gehörte dem "Gusswerk" - und das Wort klingt, wenn es die Jonasson lächelnd ausspricht, in der Tat wie eine Liebeserklärung. Zielstrebig hat sich die Hinaufgeheiratete die Bildungsstandards der großbürgerlichen Gesellschaft angeeignet. Der elegante Griff zum Cognac-Glas während ihres Sermons bleibt nicht folgenlos, sondern löst widersprüchliche Stimmungsschwankungen aus. Schließlich erscheint, kurz vor der Pause, der von der Tochter insgeheim angehimmelte dramatische Schriftsteller: ein "Anarchist" des Geistes, wie Bernhards eigener Großvater Johannes Freumbichler, ein Autor, der wie dieser ein eingeschworener Frühaufsteher ist und wie Bernhard selbst in seinen Stücken den mundfaulen Rollen "alles auflädt".
In Katwijk wendet sich das Blatt: Jonasson vereinnahmt den zuvor so geschmähten Schriftsteller für sich, indem sie, zielsicher flirtend, eine Geistesverwandtschaft feststellt - und sich dennoch den Anschein gibt, als wäre es ihr um die Annäherung zwischen dem Gast und ihrer immer wieder ins Abseits gedrängten Tochter zu tun. Christoph Nickel brilliert da als verunsicherter, ungeschickt seine Teetasse balancierender Nachwuchsautor, der seine gesellschaftskritischen Prinzipien im Wissen um deren Folgenlosigkeit verteidigt und - wie Bernhard - mutig immer in die "entgegengesetzte Richtung" geht. Mit dem Hinweis, dass gerade das "Scheitern" der "wesentlichste Gedanke" sein muss.
Freilich braucht es Geduld, sich auf diese Inszenierung einzulassen. Aber es lohnt sich. War doch Bernhard, der sich als "Theaterhasser" deklarierte, im Grunde in eine im Theaterbetrieb abhanden gekommene "Schauspielkunst verliebt", wie er es Siegfried Unseld in einem Brief eingestand. Genau diese Schauspielkunst lebt an diesem - irgendwie aus der Zeit des heutigen Theaterbetriebs gefallenen - Abend wieder auf.
(Wiener Zeitung)

Andrea Jonasson gibt bei ihrem Bernhard-Debüt die Mutter mit beeindruckendem Gefühl für Bernhards Sprachmusik. Sie zelebriert jeden Satz, findet viele Nuancen in den repetitiven Text-Schleifen.
(KURIER)

In einem der berühmten Ohrensessel Thomas Bernhards nimmt ein ganz besonders schönes Monster Platz: die namenlose Witwe des Gusswerksbesitzers im Stück Am Ziel (1981). Sie gehört zu den niederschmetterndsten großen Frauenrollen, die der österreichische Dramatiker geschrieben hat. Andrea Jonasson verkörpert sie im Theater in der Josefstadt als eine bis in die Fingerspitzen mondäne Dame, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in der Erniedrigung anderer die eigene Größe erstrahlen zu lassen.Diese Witwe hat ihre Tochter zur Haushaltsgehilfin degradiert; Therese Lohner spielt sie als wundersam hilfloses, vorwiegend von ihrer festen Flechtfrisur zusammengehaltenes Mädchen. Inmitten der cremeweißen Großbürgerwohnung thronend, lamentiert die Mutter über den "Triumph der Handwerker über die Intellektuellen" (die Steinmetzrechnung schien ihr zu hoch) und über die "Verlogenheit" am Theater (das Abonnement hätte man längst auflösen sollen). Währenddessen macht sich das Kind an einem drei Mann hohen Kleiderschrank zu schaffen (Bühne: Maurizio Balò) und packt Seidenblusen und Pelzcapes, Lackschuhe und Regenschirme großbürgerlich in sämtliche Koffer, denn es geht Richtung Sommerdomizil, so wie die letzten 33 Jahre auch. Meisterschaft im Haushalt war ja ein Lieblingssujet Bernhards. Dabei ist Andrea Jonassons Witwe bezwingend, wie sie ihre Crescendo-Sätze aufeinandergeschichtet und so das über alles und jeden hinwegsehende Reden zum Ereignis wird ("Errrfolgsschrrriftstelller").
(Der Standard)

Andrea Jonasson brilliert in Cesare Lievis Inszenierung des grässlichen Klassikers von Thomas Bernhard. Therese Lohner spielt die Tochter fantastisch. Der ewige Monolog einer bösen alten Frau - da besteht doch die Gefahr, dass die Zuseher bald abschalten, so wie gescholtene Kinder oder gequälte Ehepartner? Das geht hier aber nur selten. Cesare Lievi hat zwar an sich zurückhaltend, aber sehr musikalisch inszeniert und sein Star behandelt den Text virtuos. Wenn Andrea Jonasson "Gusswerk" sagt, dann schwingt darin all die Erotik des Geldes und der Macht mit, die in dieser Rolle reichlich vorhanden ist. Für kurze Zeit ist all das Niedrige und Gemeine vergessen; das "Gusswerk" zumindest, das sich dieser Drachen durch ihren Mann erheiratet hatte, gab ihrem Leben Sinn. Man kann dieses Wort sogar als Aphrodisiakum gebrauchen. Jonasson spielt eine furchtbare, Furcht einflößende Frau mit Pathos, Grandezza und Komik. Sie lässt nichts aus, verhöhnt neben der angeblich hässlichen Tochter en Passant auch das Publikum. Lohner ist in ihrer meist stummen Unterwerfung kongenial. Konzentriert serviert sie Tee und Cognac, räumt systematisch die Schränke leer und die Koffer voll. Wenn die Rede auf den Dramatiker kommt, der sie zum Haus am Meer begleiten soll, glaubt man beinahe, so etwas wie ein Gefühl der Erwartung in ihrem Gesicht zu erkennen, aber die Mimik ist so sparsam, dass dieser Eindruck auch Einbildung sein könnte. So schön wird eine Hässliche selten gespielt. Lohner ist fantastisch im Minimalismus. Die Szenen sind hoch konzentriert, vor der Pause. Es erscheint schließlich der Dichter (Christian Nickel), und nun zeigt Jonasson Gemeinheit im kleinsten Detail. Die ganze Zeit hat die Junge gepackt, während die Alte getrunken und monologisiert hat. Nun geht die Tochter ab, um den jungen Mann hereinzulassen, während die Mutter zum Rohrkoffer geht, einen Mantel herausnimmt und neu faltet. Es sieht für den Besucher so aus, als ob diese Frau eifrig gearbeitet hätte. Dabei war sie doch nur herrisch.
(Die Presse)

Therese Lohner hat die undankbare Aufgabe, eine junge Frau zu mimen, die auf der Bühne kaum einmal ihrer Mutter Paroli bietet, dafür jedoch permanent mit Wäsche Aus- und Einpacken beschäftigt ist. Wie sie jede auch noch so zarte Berührung ihrer Mutter, jedes noch so kleine Lob und jede noch so winzige Zuneigung begierig in ihr Innerstes aufsaugt, ist sehenswert. Wie sie duckmäuserisch Rügen erträgt, aber auch in gewissen Situationen mit einer immensen Verachtung auf Jonasson blickt, hat einfach Klasse. Ihr Gegenpart, der junge "dramatische Schriftsteller", ist zwar wesentlich wortgewandter als das schon leicht in die Jahre gekommene Mädchen. Dennoch hat auch er (Christian Nickel) Mühe, dem Redeschwall der Mutter etwas entgegenzusetzen. Nickel schwankt zwischen dem Begehren für die Tochter und einer uneingeschränkten Bewunderung für die Mutter. Ganz dem Textbuch folgend, stellt er einen jungen Autor dar, den sein erster Erfolg völlig unerwartet trifft und der die beiden Frauen auf deren Einladung hin in ihr Sommerhaus begleitet.
"Es war ein Fehler, das Abonnement nicht aufzugeben". Gleich zu Beginn holt sich Thomas Bernhard mit der Feststellung der alten Dame hier ganz bewusst die Lacher des Publikums, um später wesentlich tiefgründiger über das Theater an sich weiter zu räsonieren. Dass es für gar nichts gut sei, niemandem etwas helfe, woran sich, seit es das Theater gibt, noch nichts geändert habe. Am Ende wird klar, dass Theater sehr wohl etwas bewirken kann.
Fragil und komödiantisch zugleich gibt Jonasson Charakterzüge frei, die man der Figur zuvor nicht zugetraut hätte. Vom Alkohol beflügelt, ruft sie die Jungen auf, sich doch gegen die Alten, gegen das Establishment aufzulehnen und wird damit erst richtig zu jener intellektuellen Größe, die vom Schriftsteller angebetet und deren Kritik unwiderlegbar wird. Das ist großartiges Theater und großartige Literatur.
Ein interessanter Abend mit großen schauspielerischen Leistungen, dem ein klein wenig mehr Mut in der Regie sicher gut getan hätte.
(European Cultural News)

Jonasson glänzt in "Am Ziel" als egomanische, nörgelnde Mutter und bewältigt das enorme Textkonvolut bravourös. Das Stück darf, muss "beklatscht" werden, vor allem Andrea Jonasson, die Bernhards Suada einer Mutter nicht nur mit höchster Konzentration meistert, sondern der Egomanin mit kleinsten Gesten, Blicken und einfach mit Stillhalten etwas Schauerliches einflößt.
Regisseur Cesare Lievi gibt seinem Ensemble jedweden Freiraum, bringt aber "musikalische" Schwingungen in Bernhards enormen Text. "Überall herrscht Dilettantismus!" Thomas Bernhards berühmter Satz – hier trifft er nicht zu!
(Kronen Zeitung)

Andrea Jonasson brilliert als egomanische Familientyrannin in ihrer ersten Thomas-Bernhard-Rolle. In der Josefstadt führt nun Jonasson eine neue Temperatur ein: Ihre "Mutter" ist sinnlich, ihr Ton fließend, weniger spröd-metallisch, als man es sich auch von der Lektüre des Textes erwarten würde. Jonasson, neben ihrer schauspielerischen Brillanz auch aufgrund ihrer Erscheinung eine Diva, meistert Bernhards enormen, so gar nicht mütterlichen Muttermonolog trotz Behinderung durch eine aufgrund einer Wirbelverletzung notwendigen Halskrause bravourös. Der Regisseur Cesare Lievi setzt ganz auf den Text, keine unnötige Bewegung oder gar Musik stören die (notwendige) Konzentration.
(Tiroler Tageszeitung)

In Cesare Lievis Neuinszenierung am Theater in der Josefstadt brilliert Andrea Jonasson in dieser Prachtrolle, in dem sie ihre abgrundtiefe Bös- und Bosheit nicht nur mit Kälte, sondern auch mit menschlicher Wärme ausbreitet.
(ÖO Nachrichten)

Andrea Jonasson hat das gewisse Etwas, wenn sie mit rauchiger Stimme loslegt, Bernhards Bosheiten virtuos moduliert und zwischen grausam und einschmeichelnd switcht.
(Salzburger Nachrichten)

Andrea Jonasson brilliert als tyrannische Mutter, Therese Lohner als fast stumme Tochter.
Andrea Jonasson gelingt virtuos diese kaltherzige Figur, die zwischendurch Momente der Selbsterkenntnis hat, die sie sogleich mit übermäßigem Cognac-Konsum betäubt. Jonassons Leistung zeigt sich im Gefühl für Rhythmus, denn die selbstgefälligen Tiraden machen die handlungsarmen Szenen zu einer Herausforderung. Als kongeniale Partnerin zeigt sich Therese Lohner, deren Mienenspiel zwischen Erschrecken, Widerwillen und Zuversicht variiert. In Cesare Lievis Inszenierung wird das Unheimliche atmosphärisch dicht, und die Bernhard’schen Abgründe tun sich schleichend und bedrohlich auf.
(Die Furche)

Regie
Cesare Lievi

Bühnenbild
Maurizio Balò

Kostüme
Birgit Hutter

Licht
Emmerich Steigberger

Dramaturgie
Barbara Nowotny

Die Mutter
Andrea Jonasson

Die Tochter
Therese Lohner

Ein dramatischer Schriftsteller
Christian Nickel

Ein Mädchen
Martina Ebm