Premiere: 03.05.2007
Elizabeth T. Spira
Alltagsgeschichten
Bühnenfassung von Dolores Schmidinger
"Die grellsten Erfindungen sind Zitate", sagt Karl Kraus. Die Alltagsgeschichten von Elizabeth T. Spira, eine fast zum Kult gewordene Fernseh-Dokumentation, ist realistisch und hautnah an den Originalen. Die Menschen zeigen sich, wie sie wirklich sind. Nichts ist erfunden, alles zitiert. Die Direktheit, mit der Spiras Interview-Partner ihre Lebensumstände schildern, ist oftmals erdrückend, zugleich berührend, poetisch und unglaublich komisch.
"Diese Alltagsmenschen, die uns umgeben und denen auch wir angehören, haben mich fasziniert und dazu animiert, eine Bühnenfassung für die Kammerspiele herzustellen. Ein Panoptikum über unser Leben, wie es eben ist."
Dolores Schmidinger
Da joggt etwa Otto Schenk als Mehlspeismann, der sich mit Marzipanstrudel über seine physischen Defizite hinwegtröstet, über die Bühne, um später in die Rolle eines Gerichtsmediziners zu schlüpfen, der selber eines Psychiaters bedarf. Gideon Singer steuert hier als seniler Schachspieler oder als tätowierter Fremdenlegionär sowohl fein-komische als auch drastische Miniaturen bei, Vera Borek beeindruckt mit souveränen Milieustudien und berührt als 70-jährige Braut eines um 30 Jahre jüngeren Mannes.
Andrea Händler, obwohl durch eine Verletzung gehandicapt, brilliert nicht nur als voyeuristisch-schwatzhafte Witwe, sondern auch als resche, halbseidene Tätowiererin und als serbische Putzfrau. Daneben verleihen auch Peter Moucka, Martin Zauner und Susanna Wiegand ihren Alltagstypen, denen man lieber nicht begegnen möchte, unverwechselbares Profil.
(Wiener Zeitung)
In den Kammerspielen, wo Dolores Schmidinger eine szenische Blütenlese aus Frau Spiras Archiv vor einer Donauufer-Fototapete (Bühne: Rolf Langenfass) serviert, hat man alle Skrupel souverän beiseite geräumt. Die durch Schicksal, durch eigenes Ungeschick erniedrigten und Beleidigten reißen das p.t. Publikum zu wahren Lachstürmen hin. Nichts versöhnt verlässlicher mit einer unübersichtlich und bedrohlich gewordenen Lebenswelt, als Otto Schenk in Parkwächteruniform den autoritären Charakter des amtlichen Spießers entblößen zu sehen: "Dann streite ich ein!"
(Standard)
Dolores Schmidinger destillierte aus den Alltagsgeschichten einzelne Nummern, gliederte sie thematisch und fügte sie zu einer bluesigen Revue zusammen, die vor Rolf Langenfass‘ hübsch-verspielter Kaisermühlener Kulisse handelt. Zwar werden in den Kammerspielen einige Szenen augenzwinkernd verblödelt, was Lacher bringt, aber Spannung nimmt. Doch kommen einzelne Szenen den funkelnden Sketches von Helmut Qualtinger sehr nahe. Und in diesem Metier glänzt natürlich die Qualtinger-Witwe und Josefstadt-"Novizin" Vera Borek (etwa als geifernde Rassistin).
(Österreich)
Das Erschreckende, Anrührende, Menschliche dieser Personen und ihrer zwischen Larmoyanz, patscherter Weisheit und purer Niedertracht wechselnden Selbstdarstellung weicht bei dieser Fremddarstellung einer unangenehm gemütlichen, relevanzlosen Heiterkeit. Die Darsteller - allen voran Otto Schenk, Vera Borek und Martin Zauner - verfügen über genügend Mittel, das Premierenpublikum dennoch oder genau deshalb köstlich zu amüsieren. Und das ist dann eben doch schon wieder: traurig.
(Kurier)
Regie
Dolores Schmidinger
Bühnenbild und Kostüme
Rolf Langenfass
Musikalische Einrichtung
Bernhard van Ham
Dramaturgie
Rosina Raffeiner
Licht
Emmerich Steigberger
Regieassistenz
Stephan Pfister
Ton
Dieter Fassl
Ton
Reinhard Köberl
Erste Witwe/Die schachspielende Frau/Gerti/Die Frau mit der Handtasche/Mama/Die Tätowiererin/Die serbische Putzfrau
Andrea Händler
Zweite Witwe/Die fröhliche ältere Dame/Rudi/Oma/Gertrude/Die Frau mit den ausländischen Nachbarn
Vera Borek
Der hungrige Nudist/Ein junger Mann mit Kopfhörer/Der Kellner/Der Zuhälter/Franz/Der deutsche Österreicher
Peter Moucka
Der Mehlspeismann/Der Parkwächter/Der alte Charmeur/Der kleine Mann mit Steirerhut/Der Gerichtsmediziner/Erster Arbeitsloser
Otto Schenk
Der Esoteriker/Er/Hans/Der nette Beamte/Papa/Der Haftentlassene/Zweiter Arbeitsloser/Der Mann mit Bart und Trachtenhut
Martin Zauner
Die Frau mit der selbstgeschneiderten Garderobe/Sie/Die Freundin des Zuhälters/Die Frau mit der Kronen Zeitung
Susanna Wiegand
Der schachspielende Mann/Fritz/Der Herr Doktor/Opa/Der gealterte Fremdenlegionär/Der Rosenverkäufer
Gideon Singer
Eine alte Schauspielerin mit Sprachfehler/Die Frau mit Zukunftsängsten
Dolores Schmidinger
/ Adelheid Picha