Premiere: 28.03.2019
Tracy Letts
Eine Frau - Mary Page Marlowe
Österreichische Erstaufführung
ca. 1 Stunde, 40 Minuten, keine Pause
Übersetzung von Anna Opel
Welche Momente eines Lebens sind die wichtigen gewesen? An was erinnert man sich? Bleiben die großen Anlässe, sind sie es, die uns definieren? Gibt es Zeitpunkte, wo wir die Wahl gehabt hätten, unserem Leben eine ganz neue Richtung zu geben? Wie viel Selbstbestimmung steckt in unserem Leben?
In Tracy Letts neuem Stück "Eine Frau – Mary Page Marlowe" stellt der pulitzerpreisgekrönte Dramatiker genau diese Frage. Er zeigt seine Protagonistin in elf Lebensaltern und –stadien: als Kind, als alte Frau, als Studentin, als Mutter, als junge Ehefrau. In Momentaufnahmen erzählt Letts, was Mary Page Marlowe zu der Person gemacht hat, die sie jetzt gerade ist, er zeigt, dass ein Leben nicht immer eine stringente Geschichte erzählt – und dass die Idee von der ultimativen Selbstbestimmung nicht immer wahr werden muss.
Alexandra Liedtke wird dieses Leben einer Frau in ihrer vierten Regiearbeit an den Kammerspielen der Josefstadt inszenieren.
Die Figuren so lebendig und fern von Klischees, Regisseurin Alexandra Liedtke formt eine jede ganz anders – und eine jede sitzt. Swintha Gersthofer und Gioia Osthoff sind als Studentenfreundinnen kesse American Girls von nebenan. Johanna Mahaffy als herrlich frische, junge Mary Page will nicht heiraten, hat den Kopf noch voller Träume von der weiten Welt und Selbstbestimmung. Lisa-Carolin Nemec erlebt als Mary Pages Tochter demonstrativ kaugummikauend den Trotz und später auch das Einvertändnis mit der Mutter. Marcus Bluhm ist ein herzenswarmer dritter Ehemann und Babett Arens seine bei sich angekommene Mary Page. Silvia Meisterle gibt die selbstbezogene, kühle Mutter. Eine Schlüsselszene der Selbsterkenntnis spielt Cervik mit Raphael van Bargen als Therapeut. Kostümbildnerin Su Bühler hüllt ihn ganz in beige Langeweile, Roman Schmelzer staubt dafür strippend und in knackig gelber Unterhose einige Lacher ab. Es gibt derer noch ein paar, aber keine der Pointen kommt plump. Das Stück ist hoch sensibel gemacht, allmählich rundet sich das Bild. Der Personalaufwand lohnt sich, das gerät toll bis ins Kleinste, verdient großer Applaus.
(Der Standard)
Alexandra Liedtke hat es klug, feinfühlig und mit dem in den Kammerspielen beliebten Witz inszeniert.
Sandra Cervik spielt unglaublich intensiv und präzise, sie bebt, brüllt heiser, strahlt – aber dies ist kein Stück, das emotionale Grenzwerte für ein bisschen Melodramatik ausschlachtet. Ohne eine einzige überflüssige Szene und abseits jeglicher Klischees zeichnet es das Bild einer Frau, die sich oft ausgeliefert fühlt, sich aber trotzdem lieben kann. In den meisten ihrer Versionen jedenfalls.
(Die Presse)
Regisseurin Alexandra Liedtke hat dieses amerikanische Zeitpanorama sehr feinfühlig inszeniert. Sichtbar lustvoll hat Su Bühler die jeweils passenden Kostüme von der 50-er Jahren bis in die Gegenwart entworfen. Im Zentrum dieses "Wellmade Play" steht dabei Sandra Cervik als Mary Page – sie gestaltet dieses Frauenschicksal intensiv, wo nötig aber auch mit angebrachter Distanz. Stark!
Rund um Cervik agiert ein Ensemble auf höchstem Niveau, das kaum Wünsche offen lässt. Denn in den Kammerspielen beherrscht man die Kunst der Zwischentöne virtuos. Martin Zauner etwa als Mary Pages späte Liebe, Raphael von Bargen als fordernder Therapeut, Nikolaus Barton als Mary Pages kriegstraumatisierter Vater, Silvia Meisterle als dessen gezeichnete Frau und alle übrigen Mitwirkenden ebenso.
Diese pausenlose Familienaufstellung vor dem Hintergrund einer sich stetig wandelnden Gesellschaft rührt, ohne rührselig zu werden.
(KURIER)
"Eine Familie" hat Tracy Letts zum Star gemacht. Sich die österreichische Erstaufführung des Nachfolgestücks gesichert zu haben, ist eine Trophäe. Alexandra Liedtke legt bestes Regiehandwerk vor: eine gepflegte, intensive Arbeit, fein balanciert zwischen Ironie und Tragik mit starken Annäherungswerten an die Realität. Um Sandra Cervik ordnet sich ein Kosmos exzellent gearbeiteter Figuren: Babett Arens, Lisa-Carolin Nemec, Martin Zauner, Raphael von Bargen und (wirklich) alle anderen repräsentieren beste Ensemblekultur.
(Kronen Zeitung)
Die Rolle der Mary Page hat Letts für vier Darstellerinnen in vier Lebensaltern vorgesehen – und es braucht starke Schauspielerinnen, um diesen Charakter in seinen teils effektgeladenen, teils tiefenschärfenarmen Auftritten interessant zu machen. Ein Glück, dass die Kammerspiele der Josefstadt mit Sandra Cervik und Babett Arens über solche verfügen. Regisseurin Alexandra Liedtke hat "Eine Frau. Mary Page Marlowe" zur österreichischen Erstaufführung gebracht, eine ausgeklügelte Arbeit, die des Autors Bemühungen ums Well-made Play adelt, da Liedtke auf die Kraft ihrer Akteurinnen setzt und mit ihnen das Figurenschicksal atmosphärisch klar und schnörkellos auf die Bühne bringt.
Das Ensemble bietet feines Schauspiel. Sandra Cervik gestaltet Mary Page in einer Mischung aus nüchterner Selbstkontrolle und leicht aufbrausenden Emotionen. Sie hat mit Liebhaber Dan, den Roman Schmelzer als komödiantisches Kabinettstück zeigt, und Seelendoktor Raphael von Bargen zwei der besten Episoden. Ebenso, wie Babett Arens mit Ehemann Nr. drei, Andy, den Martin Zauner als verschmitzt herumalbernde späte Liebe anlegt. Überzeugend sind auch Nikolaus Baton und Silvia Meisterle als Mary Pages Eltern, der Vater vom Zweiten Weltkrieg gezeichnet, die Mutter auf dem schmalen Grat zwischen Fürsorge und Unwirschheit.
(Mottingers Meinung)
Glaubwürdig-berührend!
(Falter)
Regisseure, die in die Seelen der Menschen schauen können, sind heute am Theater rar geworden. Alexandra Liedtke führt an den Wiener Kammerspielen den Beweis dieser Könnerschaft: Tracy Letts‘ Tragödie "Eine Frau – Mary Page Marlowe" erzählt in skizzenhaften Szenen das Leben einer Amerikanerin, die am Leben, an ihren Vorstellungen davon, als Ehefrau und als Mutter gescheitert ist. Vier Schauspielerinnen heben die elf Szenen beeindruckend ins Leben. Die Regisseurin weiß, was sie tut, und sie kann über ein erstklassiges Ensemble verfügen. Primadonna des Abends ist Sandra Cervik. Sie entwirft das bewegende Psychogramm einer Verlorenen, die in Hochprozentigem Zuflucht aus dem Lebensversagen sucht. Johanna Mahaffy ist die junge Mary Page, und Babett Arens zeigt deren letzte Tage. Liedtke leistete Präzisionsarbeit bei der Personenführung, die Szenen fließen organisch ineinander über. 16 Schauspieler – unter ihnen Martin Zauner, beeindruckend als letzter Ehemann, und Raphael von Bargen als Psychoanalytiker – erzielen auf der nicht übergroßen Bühne beeindruckende Annäherungswerte an die Realität des Scheiterns. Alles ist hier klar, strukturiert und doch voll Emotion. So kann Theater nicht nur funktionieren, sondern auch berühren.
(NEWS)
Regie
Alexandra Liedtke
Bühnenbild
Volker Hintermeier
Kostüme
Su Bühler
Musik
Karsten Riedel
Dramaturgie
Cinja Kahl
Licht
Sebastian Schubert
Mary Page Marlowe
Sandra Cervik
Babett Arens
Johanna Mahaffy
Mary Page Marlowe als Kind
Livia Ernst
/ Lilly Krainz
Louis Gilbert
Johannes Brandweiner
/ Jona Schneeweis
Wendy Gilbert
Lisa-Carolin Nemec
Lorna
Swintha Gersthofer
Connie
Gioia Osthoff
Andy
Martin Zauner
Ed Marlowe
Nikolaus Barton
Roberta Marlowe
Silvia Meisterle
Therapeut
Raphael von Bargen
Krankenschwester
Martina Ebm
Ray
Marcus Bluhm
Ben
Igor Karbus