Jubiläum - 100 Jahre Max Reinhardts Josefstadt (01.04.)

Am 1. April 1924 eröffnete Max Reinhardt seine komplett renovierte „Josefstadt“ und gab ihr dieses unverwechselbare, prachtvoll-feierliche Aussehen, für das das Haus bis heute geliebt wird

Max Reinhardt war bereits ein international beachteter Superstar des Theaters, ein Theatermagier, als ihn die Leitung eines Theaters in Wien reizte. „Wien ist die Stadt der feinsten Theaterpsychologie. Wien erkennt den Schauspieler wie keine zweite Stadt. Wie keine andere hält es ihn hoch und bewahrt ihm die Treue.“ Im Josefstädter Theater erkannte er sofort die ideale Wirkungsstätte. Nach Vertragsabschluss war Reinhardts dringlichstes Anliegen vorerst dessen Renovierung.

Gesellschaftliches Großereignis

Nun jährt sich zum 100. Mal ein besonderer Jahrestag: Die Eröffnung des komplett neu gestalteten Hauses fand am 1. April 1924 mit Goldonis Ein Diener zweier Herren in der Regie von Direktor Max Reinhardt statt. Die Premiere war ein künstlerisches und gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges.

„Die Wiedereröffnung des Theaters am 1. April 1924, das unter der neuen Bezeichnung Die Schauspieler im Theater in der Josefstadt unter Führung von Max Reinhardt firmierte, geriet zum gesellschaftlichen und medialen Großereignis: Im Hause jene Schar Auserwählter, die eingeladen waren […], ein Publikum, das man unter »ganz Wien« zusammenfasst, […] fast jede Person eine Persönlichkeit, die Automobilauffahrt vor dem Haus eine Sehenswürdigkeit, [auf der Straße] Hunderte von Schaulustigen […, die] sich angestellt [hatten], um die Auserwählten zu sehen, so beschrieb das »Neue Wiener Tagblatt« das Spektakel. Geladen war die Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Industrie, Finanzwelt und Kultur, ebenso die gesamte Presse. Journalisten kamen auch aus Berlin, Frankfurt und Prag. Die Gästeliste soll Herr Camillo Castiglioni, der geldfürstliche Bauherr des Theaters, für den ersten Abend größtenteils persönlich festgelegt haben. Der Einladung gefolgt waren unter anderem Bundespräsident Michael Hainisch, Außenminister Alfred Grünberger, Bürgermeister Karl Seitz und eine Reihe von Nationalräten; Eugen und Louis Rothschild als Vertreter des Wiener Zweigs der Bankendynastie; Maxime Krassny-Krassien, Direktor der Escompte-Gesellschaft; die Großindustriellen Isidor Mautner und Richard Schöller sowie Hans Wertheim; die Direktoren des deutschen Bühnenvereins und die Theaterdirektoren der Stadt, Schriftsteller wie Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil und Arthur Schnitzler sowie der Kulturphilosoph und Schauspieler Egon Friedell.. […] Die Neugier auf die Eröffnung mit Goldonis Lustspiel »Der Diener zweier Herren« war grenzenlos.“
(Aus: Robert Stalla „Theater in der Josefstadt 1788-2030“ – Architektur, Geschichte, Kultur)

Der Weg zur neuen Pracht

Als Reinhardt als Intendant im Jahr 1923 das Theater übernahm, war dessen ehemalige Pracht verblast, erschreckend heruntergekommen wirkte das nur zweckmäßig ausgestattete „Entree“. Mit dem Ziel „einen wohnlichen Patriziersalon, in dem Theater gespielt wird“ entstehen zu lassen, wurde umgebaut und  neu gestaltet. Max Reinhardt und seine Frau Helene Thimig waren maßgeblich an den Umbauplänen und an der Auswahl des Interieurs beteiligt.

In Camillo Castiglioni, dem reichsten und einflussreichsten Geldmagnaten Wiens, fand Max Reinhardt den kongenialen Finanzier und Mäzen. Reinhardt schwebte ein Umbau im Stile des Teatro Fenice in Venedig vor. Dafür wurde der Wiener Architekt Professor Carl Witzmann gewonnen, der ein „Meisterwerk aus Geist und Seele“ gestaltete. Eine Sensation bildete damals der große Luster aus Murano-Glas von J. & L. Lobmeyr ausgeführt, der, in der Höhe der ersten Galerie hängend, auch heute noch zu Beginn des Spieles unter langsamen Verlöschen des Lichtes sechs Meter zur Decke schwebt. Von Grund auf imperial gestaltet wurden die gesamten Foyers zwischen dem Eingang in der Josefstädter Straße und dem Zuschauerraum. Das Deckenfresko von Barocci im Parterrefoyer ist die Kopie des Deckengemäldes in Schloss Leopoldskron.

Mit dem Umbau des Theaters wurden auch die „Sträußel-Säle“, die zum Kulissenmagazin verkommen waren, wieder neues Leben eingehaucht. Monumentale Säulen mit Kapitellen gliedern den Raum in drei kleinere Säle, altvenezianische Leuchter und Spiegel zieren die Wände des Biedermeier-Festsaales.
Am 16. April 1950 wurde über dem Theatereingang ein Bronzemedaillon von Mario Petrucci, das Max Reinhardt zeigt, von dessen Witwe Helene Thimig enthüllt.

Direktor Ksch Herbert Föttinger: Die Josefstadt ist das Paradebeispiel dafür, dass ein Theater, das durch und über seine Schauspieler:innen funktioniert, höchst erfolgreich ist. Ich versuche seit meinem Amtsantritt den Ensemblegeist an diesem Theater im Sinne Reinhardts zu pflegen und das Publikum an das Ensemble zu binden. Unsere Auslastung gibt diesem Zugang recht.“

 

Fotocredit Fest sw, Sträußelsäle: Imagno
Fotocredit alle anderen: Theater in der Josefstadt