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Theater in der Josefstadt
Premiere: 23.10.2025

Thomas Bernhard

Der Theatermacher

ca. 2 Stunden, 25 Minuten (Pause nach ca. 100 Minuten)

Ein solcher empfindlicher Geist

in einem solchen empfindlichen Körper.

Der Schauspieler Bruscon tourt mit seiner Universalkomödie Das Rad der Geschichte durch die österreichische Provinz. Vor dem Gastspiel im „Schwarzen Hirschen“ in der Kleingemeinde Utzbach inspiziert er den Saal, in dem die Aufführung stattfinden soll. Trotz der widrigen Umstände – einer heruntergekommenen Bühne, einer möglicherweise aus brandschutztechnischen Gründen nicht löschbaren Notbeleuchtung und seiner Familie als talentfreiem Ensemble – bleibt Bruscon von der eigenen Genialität überzeugt. In seiner Besessenheit von der perfekten Aufführung wird er jedoch bald von der Realität eingeholt.

In Thomas Bernhards Klassiker Der Theatermacher wird die Forderung nach völliger Dunkelheit nicht nur zum Symbol für die Selbstüberschätzung des Künstlers, sondern auch zum Gleichnis für die „Kunstfeindlichkeit“ und die bürokratischen Hürden in der österreichischen Gesellschaft. Als metadramatischer Kommentar auf den Theaterskandal rund um die Uraufführung von Bernhards Der Ignorant und der Wahnsinnige entkommt in klassischer Bernhard-Manier niemand dem Spott – weder der Künstler noch die Gesellschaft.

Herbert Föttingers Bruscon hat überhaupt nichts Kraftmeierisches. In jeder seiner Attacken, in jeder seiner aufgeblähten Selbstbeweihräucherungen lässt dieser Theatermacher spüren, dass er eigentlich am Ende seiner Kräfte ist. In seinem selbstbewussten Aufbäumen, seinem Trotz wirkt er immer auch ein wenig verloren. Mit dieser stringenten, in jedem Moment beherrschten Rollengestaltung schreibt sich der scheidende Josefstadt-Direktor wohl in die Annalen seines Hauses ein.
(nachtkritik.de)

Den furiosen Fast-Monolog nimmt Föttinger mit verhaltener Grandezza und ironischer Wehmut: kein Brüller, sondern ein einst imponierender, jetzt zerstörter Geist. Fabelhaft sind auch die fast stummen Nebengestalten gearbeitet. Oliver Rosskopf und Larissa Fuchs als Bruscons Kinder malen mit Blicken und Gesten eine kompakte Familienhölle. Und Martin Zauners Wirt ist ein Gigant der Pointe ohne Worte. Ein erlebenswertes Bühnenabenteuer.
(Kronen Zeitung)

Selten hat man Föttinger so arbeiten gesehen: so aufgeraut in den Bewegungen, gebrochen garstig, in sich selbst verschwindend. Im langen Mantel und mit Gehstock macht er sich alles und jede Untertan. Hartmann legt nach. Er schärft dieses Künstlerungetüm, das seine zu Theaterinstrumenten degradierten Familienmitglieder stets drangsaliert und erniedrigt, noch um einiges zu. Bösartiger und kantiger, dem lediglich ein plättendes Haarnetz einen leichten Knacks verleiht (Kostüme: Su Bühler). Der Wirtshaussaal von Utzbach ist jedenfalls zu einem Drittel in pechschwarze Farbe getunkt. Hier blickt Bruscon in seine Abgründe, in denen seine Frau Agathe (Silvia Meisterle in der stummen Rolle) hinter Gazewänden sichtbar wird. Die meist Abwesende und auch Textlose, die Bruscon auf alle erdenkliche Weise erniedrigt und traktiert, tanzt in der Dunkelheit. Es lässt einen frösteln. Heiterer sind da die Unzumutbarkeiten Bruscons, die er gegenüber dem Wirt (stoisch und von Bruscons Spompanadeln zugleich ermüdet: Martin Zauner) und seinen schauspielenden Kindern vom Stapel lässt. Larissa Fuchs als Sarah, welche Bruscon zum Füße-Massieren auf die Knie zwingt, erspielt eine beunruhigende Wächsernheit. In der Rolle des Sohnes Ferruccio gelingen Oliver Rosskopf großartige Miniaturen halsbrecherischer Unterwürfigkeit. Seine Gipshand steckt am Körper in einem halben Baugerüst fest, dennoch muss er Paravents schleppen und Hitler-Bilder von der bröckelnden Wand abnehmen. Wie viele Dramen Bernhards ist auch Der Theatermacher in Wahrheit ein gut getarnter Monolog. Der Großschauspieler Bruscon, im zweiten Teil mit Napoleon-Hut, redet, selbst wenn er sich an ein Gegenüber wendet, natürlich immer mit sich selbst. Es hat seinen Reiz, dieser lachhaften Theatererklärung ("zu wenig Spinoza gelesen!") zu folgen. Das Finale mit Gewitter dehnt er zu einem albtraumhaften Tanz (Choreografie: Paul Blackman) aus, in dem Bruscon im Kreis seiner Familienmitglieder ins Schleudern kommt. Kein Raum mehr ist erkennbar, Stimmen verfolgen ihn. So könnte der Untergang aussehen.
(Der Standard)

Herbert Föttinger spielt den lächerlichen wie fürchterlichen Übervater mit deutlichster Sprechweise, mit all seinen theatralischen Mitteln – und das sind einige! -, vor allem mit Empathie, die alle Rollen, gerade die bösen, brauchen: ein Erzschauspieler, der einen Erzschauspieler seiner selbst verkörpert. Den verzweifelt komischen Untergang der kleinen Welt eines alten Patriarchen. Und keiner widerspricht ihm, höchstens der Wirt (überzeugend barsch: Martin Zauner). Seine Kinder (virtuos devot: Oliver Rosskopf, Larissa Fuchs) sind nur zueinander gehässig.
(Die Presse)

Föttinger, die Textmengen spielerisch bewältigend, grenzt sich dezidiert von Traugott Buhre ab. Bruscon ist und bleibt aber ein Patriarch und widerlicher Mensch, der mit Perfidie schikaniert. Dass ein solcher Molière-Despot herumkommandieren, mit Gewalt wie verbaler Bösartigkeit seinen Willen durchsetzen kann, liegt auch daran, dass seine Umgebung jeden Widerstand aufgegeben hat. Martin Zauner als Wirt pariert die Befehlsattacken mit seelenlosen Blicken wie grandioser Gemütsruhe; die beiden völlig verängstigten Kinder bleiben zumeist tonlos beim Protest und grunzen beim Grinsen: Oliver Rosskopf, mit Metallgestänge-Gipsarm fast noch mehr eingeschränkt als einst Martin Schwab, aber um nichts weniger artistisch, und Larissa Fuchs kommentieren ihre Verzweiflung mit vielsagendem Mienenspiel.
(KURIER)

Oliver Rosskopf pendelt als talentloser, versehrter Sohn Ferruccio rührend zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Larissa Fuchs müht sich als dessen Schwester Sarah redlich, eine schlechte Schauspielerin zu spielen – keine einfache Aufgabe. Als Frau Bruscon tanzt sich Silvia Meisterle stumm die Seele aus dem Leib. Martin Zauner gibt einen wunderbar widerborstigen Wirt. Mit grimmiger Verachtung lässt er alle Beleidigungen des größenwahnsinnigen „Kulturmenschen“ an sich abprallen. Könnten seine Blicke töten, das Stück wäre schon früh zu Ende gewesen.
(Kleine Zeitung)

Föttinger spielt den egomanen Bruscon nicht kraftstrotzend, sondern immer am Rande des Zusammenbruchs – und trotzdem fies und manipulativ.
Ein Beschädigter, der selbst Schaden anrichtet. Hartmann und Föttinger kennen die gute, alte Theaterregel, auch dem größten Schuft auf der Bühne noch eine minimale Sympathie entgegenzubringen. Wie schuftig Bruscon ist, weiß man bis zum Ende nicht. Diese Ambivalenz, die das Zuschauen weit fesselnder macht als die Idealbilder einer geläuterten Nation oder moralisch einwandfreien Kunst, macht man sich hier zu eigen und albert sie nicht weg. Am Ende räumt Hartmann die Bühne leer und zeigt, welche Gefühlswelten unter der historischen Kulisse zu vermuten sind: Verlorenheit, Orientierungslosigkeit, Dunkelheit. Paul Blackman choreografiert eindringliche, stumme Tanzszenen im Bühnennebel, die etwas vom Schatten der Vergangenheit erahnen lassen, der auch über dem Theater als Gegenbühne liegt. In seiner fast schon altertümlichen Ernsthaftigkeit weiß dieser Abend zu beeindrucken.
(Welt)

Regie
Matthias Hartmann

Bühnenbild
Volker Hintermeier

Kostüme
Su Bühler

Choreographie
Paul Blackman

Dramaturgie
Matthias Asboth

Licht
Manfred Grohs

Bruscon, Theatermacher
Herbert Föttinger

Frau Bruscon, Theatermacherin
Silvia Meisterle

Ferruccio, deren Sohn
Oliver Rosskopf

Sarah, deren Tochter
Larissa Fuchs

Der Wirt
Martin Zauner

Die Wirtin
Sabrina Berger

Erna
Diana Stecker